Dass zu den von der unterlegenen Partei zu übernehmenden Kosten grds. auch diejenigen für den Rechtsanwalt gehören, bestimmt § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO. Unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang dem Erstattungsverlangen für mehrere Rechtsanwälte nachgekommen werden muss, ist in § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO geregelt. Danach ist die Erstattungspflicht zunächst auf die normalerweise für einen Rechtsanwalt anfallenden Kosten begrenzt. Eine Ausnahme macht das Gesetz nur dann, wenn in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Kommt es infolge einer Mandatskündigung zu einem solchen Anwaltswechsel, so stellt sich zwangsläufig die Frage, wie sich die §§ 627, 628 BGB zur Kostenerstattungsregel nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO verhalten.

1. Vollstreckungsgegenklage

Nach Auffassung des BGH sind materiell-rechtliche Fragen und Einwände, wozu er ausdrücklich auch die Regelung des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB zählt, im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens gem. §§ 103 ff. ZPO grds. nicht zu berücksichtigen (BGH NJW 2012, 3790, Rn 14; BGH NJW-RR 2007, 422, 422). Die Richter halten es an dieser Stelle für unbeachtlich, wenn der zu erstattende Gebührenanspruch des infolge der Kündigung ausgewechselten Anwalts möglicherweise bereits nach § 628 Abs. 1 S. 2 BGB untergegangen ist. Vielmehr soll dies von der unterlegenen Partei im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend zu machen sein (BGH NJW-RR 2007, 422, 422; BGH NJW 2006, 1962, Rn 4). Bei der Kostenfestsetzung hingegen konzentriert sich der Senat allein auf den Tatbestand des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO und demnach auf die Frage, ob ein Wechsel in der Person des Anwalts eintreten musste. Dies bejaht er, wenn weder die Partei noch den ersten Rechtsanwalt ein Verschulden an der Notwendigkeit des Anwaltswechsels trifft (BGH NJOZ 2013, 440, Rn 11 m.w.N.).

 

Hinweis:

Im Fall des Verlusts der Anwaltszulassung wird ein Verschulden durch die mittlerweile gefestigte Rechtsprechung abgelehnt, wenn deren Rückgabe aus achtenswerten Gründen erfolgt. Während wirtschaftliche Schwierigkeiten des Anwalts regelmäßig keinen solchen Grund darstellen (BGH NJOZ 2013, 440, Rn 17), soll bei Übernahme der Pflege der demenzkranken Mutter des Anwalts ein Verschulden desselben ausscheiden (BGH NJW 2012, 3790, Rn 19).

2. Kostenfestsetzungsverfahren

Der Auffassung des Senats wird entgegengehalten, so werde der unterlegenen Partei zu Unrecht das Risiko eines Anwaltswechsels auf Seiten der obsiegenden Partei zugewiesen (Deckenbrock NJW 2012, 3791, 3792). Die einschlägigen Gebührenregelungen fänden nicht nur im Anwalt-Mandanten-Verhältnis Anwendung, sondern sie seien zugleich die Grundlage für den Kostenerstattungsanspruch gegenüber Dritten. Demnach habe die unterlegene Partei auch nur diejenigen Kosten zu erstatten, zu deren Zahlung die obsiegende Partei ihrerseits verpflichtet ist (Deckenbrock NJW 2012, 3791, 3792; so auch schon Henssler/Deckenbrock MDR 2005, 1321, 1322; Henssler/Deckenbrock NJW 2005, 1, 5; zustimmend BeckOK/Jaspersen, ZPO, Stand 1.3.2021 [40. Edition], § 91 Rn 166; im Ergebnis auch OLG Naumburg BeckRS 2004, 30348409; OLG München BeckRS 9998, 18698). Überdies führe das Zusammenspiel von § 628 Abs. 1 S. 2 BGB und § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO dazu, dass nie die Kosten mehrerer Rechtsanwälte zu erstatten seien. Da sich so im Kostenfestsetzungsverfahren per se keine schwierigen materiell-rechtlichen Fragen stellen könnten, bestehe kein Grund, die Einwendung des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB nicht schon in dessen Rahmen zu berücksichtigen.

3. Stellungnahme

a) Keine verdrängende Sonderregelung

Bereits die Erstfassung der ZPO hielt mit § 87 ZPO eine Regelung vor, die sich heute nahezu wortlautgetreu in § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO wiederfindet. Da das BGB mitsamt der Regelung des § 628 BGB erst rund 20 Jahre später in Kraft getreten ist, kann der historische Gesetzgeber zumindest nicht die Absicht verfolgt haben, eine gegenüber den Normen des BGB speziellere Kostentragungsregel zu kodifizieren. Da sich auch in den Gesetzesmaterialien zu § 628 BGB keinerlei Hinweise dahingehend finden lassen, dass das Verhältnis beider Vorschriften überhaupt bedacht worden sein könnte, steht jedenfalls der gesetzgeberische Wille einer Berücksichtigung von § 628 BGB nicht entgegen.

b) Möglichkeiten des Rechtspflegers

Nach Auffassung des BGH hat die Prüfung der Kostenentstehung unter rein prozessualen und gebührenrechtlichen Gesichtspunkten zu erfolgen und sich darauf zu beschränken, ob die zur Erstattung angemeldeten Kosten nach dem konkreten Verfahrensablauf und den einschlägigen Vorschriften des RVG entstanden sind (BGH NJW-RR 2007, 422, 423). Hintergrund dieses eingeschränkten Prüfungsumfangs ist, dass es sich beim Kostenfestsetzungsverfahren um ein Massenverfahren handelt, welches auf Effektivität und Praktikabilität ausgelegt und deshalb auch nach § 21 Nr. 1 RPflG dem Rechtspfleger zur Klärung einfacher Rechtsfragen übertragen ist (BeckOK/Jaspersen, a.a.O., § 104 Rn 29; MüKo/Schulz, ZPO, 5. Auflage 2016, § 104 Rn 34; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 104 Rn 8). Wenn die Beantwortung komplizierter Rechtsfragen im Kostenfestsetzungsverfahren mangels der hierfür...

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