(EuGH, Urt. v. 29.4.2021 – C-47/20) • Art. 2 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über den Führerschein sind dahin auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet dem Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins der Klassen A und B wegen einer Zuwiderhandlung, die bei einem vorübergehenden Aufenthalt in diesem Gebiet nach der Ausstellung dieses Führerscheins stattgefunden hat, das Recht, zu fahren, aberkannt wurde, nicht verwehren, später die Anerkennung der Gültigkeit dieses Führerscheins abzulehnen, nachdem dieser gem. Art. 7 Abs. 3 dieser Richtlinie von dem Mitgliedstaat, in dem sich der ordentliche Wohnsitz i.S.v. Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie des Inhabers dieses Führerscheins befindet, erneuert wurde. Das vorlegende Gericht muss allerdings prüfen, ob gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die von den Rechtsvorschriften des erstgenannten Mitgliedstaats vorgesehenen Regeln, mit denen die Bedingungen festgelegt werden, die der Inhaber eines Führerscheins erfüllen muss, um das Recht wiederzuerlangen, in diesem Gebiet zu fahren, nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des von der Richtlinie 2006/126 verfolgten Ziels, das in der Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr besteht, angemessen und erforderlich ist. Hinweis: Hier hatte das BVerwG dem EuGH die Vorlagefrage zur Tragweite des in der Richtlinie vorgesehenen Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen zur Entscheidung vorgelegt. Der EuGH weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung vorbehaltlich der in der Richtlinie festgelegten Ausnahmen auch für Führerscheine gilt, die aus einer Erneuerung hervorgegangen sind. Ein Mitgliedstaat kann die Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat lediglich erneuerten Führerscheins ablehnen, nachdem er dessen Inhaber für sein Hoheitsgebiet ein Fahrverbot erteilt hat. Die einfache Erneuerung eines Führerscheins der Klassen A und B kann jedoch nicht der Ausstellung eines neuen Führerscheins gleichgestellt werden, da die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie nicht verpflichtet sind, bei der Erneuerung eines Führerscheins die Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Fahrtauglichkeit zu prüfen.
ZAP EN-Nr. 300/2021
ZAP F. 1, S. 552–553