Der Begriff „Mobbing” ist seit vielen Jahren Bestandteil des allgemeinen Sprachgebrauchs. Das BAG hat am 25.10.2007 (8 AZR 593/06 NZA 2008, 223) die Umschreibung des Begriffs „Mobbing” dem Wortlaut des § 3 Abs. 3 AGG entnommen. Dort wird auf Verhaltensweisen von Vorgesetzten oder Kollegen abgestellt – die typischerweise durch ein einheitliches Ziel planmäßig miteinander verbunden sind –, mit denen bewusst und gewollt mit einem in § 1 AGG genannten Grund die Würde eines Menschen verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (s. Schaub/Koch, Arbeitsrecht von A–Z, „Mobbing” und umfassend Wolmerath, Mobbing, Rechtshandbuch für die Praxis, 5. Aufl. 2019).
Zwar ist Mobbing kein anspruchsbegründender Rechtsbegriff, als Mobbing zu bezeichnende Handlungen können aber Ansprüche gegen Arbeitskollegen und den Arbeitgeber begründen, etwa aus unerlaubter Handlung (§ 823 ff. BGB) und damit auch auf Schmerzensgeld (§ 253 BGB).
Das LSG München hatte zu entscheiden, ob psychisch bedingte Gesundheitsstörungen infolge Mobbings eine Berufskrankheit darstellen und die Frage verneint (Urt. v. 12.5.2021 – L 3 U 11/20, hierzu Spellbrink – bis vor einigen Monaten Vorsitzender des für das Unfallversicherungsrecht zuständigen 2. Senat des BSG, juris PR-SozR 17/2021, Anm. 1). Nach §§ 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten nur solche Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung in der Anlage der Berufskrankheitenverordnung (BKV) aufgenommen hat. Aus dem in § 31 SGB I normierten Vorbehalt des Gesetzes folgt, dass ohne einschlägige Rechtsgrundlage keine Anerkennung oder Entschädigung von psychischen oder anderen Erkrankungen als Berufskrankheit erfolgen darf. In der Anlage zur BKV findet sich derzeit keine (arbeitsbedingte) psychische Erkrankung, sodass eine Berufskrankheit nicht vorliegen kann.
Nach § 9 Abs. 2 SGB VII besteht die Möglichkeit, eine nicht in der BKV gelistete Krankheit als sog. Wie-Berufskrankheit anzuerkennen. Allerdings müssten dann auch die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 S. 2 SGB VII vorliegen, wonach neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über besondere Einwirkungen gegeben sein müssen, denen eine bestimmte Personengruppe durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Maße ausgesetzt ist als die übrige Bevölkerung.
Nach der Rechtsprechung des BSG dazu, ob psychische Erkrankungen als Wie-Berufskrankheit anerkannt werden können, sind an das Tatbestandsmerkmal „besondere Personengruppe” zwar keine besonderen Anforderungen hinsichtlich der Größe oder sonstiger charakterisierender Merkmale zu stellen. Die Einwirkungen, denen die Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit ausgesetzt ist, müssen jedoch abstrakt-generell nach dem Stand der Wissenschaft die wesentliche Ursache einer Erkrankung der geltend gemachten Art sein (BSG, Urt. v. 20.7.2010 – B 2 U 19/09 und 27.4.2010 – B 2 U 13/09 R). Das LSG hat ausgeführt, im Falle von Mobbing am Arbeitsplatz ließen sich bestimmte Personengruppen, die diesen besonderen Einwirkungen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, nicht abgrenzen. Auch lägen neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft (das LSG bezieht sich insoweit auf Auskünfte beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und beim Ärztlichen Sachverständigenbeirat (ÄSBV) beim BMAS, der allerdings auf dem Gebiet der psychischen Erkrankungen praktisch nicht tätig wird) dahingehend, dass psychische Erkrankungen hervorgerufen durch Mobbing, als Berufskrankheit anzuerkennen sind, gegenwärtig weder vor noch seien sie zu erwarten. § 9 Abs. 2 SGB VI beinhalte keine allgemeine Härteklausel.
Hinweise:
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Spellbrink, a.a.O., stimmt der Entscheidung grds. zu, gibt jedoch dem Kläger insoweit Recht, als er das LSG ermahnt habe, nicht kritiklos der Auskunft des BMAS und des ÄSVB zu folgen. Da nach der Rechtsprechung des BSG § 9 Abs. 2 SGB VII einen Rechtsanspruch auf Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit einräume (v. 27.4.2010 – B 2 U 13/09 R Rn 15), dürfe eine Entscheidung der Judikative über das Bestehen eines solchen Anspruchs grds. nicht vom Handeln bzw. Nichthandeln des ÄSVB abhängig gemacht werden. Die Gerichte werden zusätzliche eigene Überlegungen und Nachforschungen anzustellen haben, was jedoch vorliegend geschehen war. |
2. |
Das BSG hat nunmehr in dem Rechtsstreit eines an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leidenden Rettungssanitäters, der in seinem Berufsleben mit zahlreichen erheblichen traumatisierten Situationen konfrontiert war, erstmals beschlossen, selbst ein wissenschaftliches Gutachten zu der generellen Tatsache einzuholen, ob bei der eingrenzbaren Berufsgruppe der Rettungssanitäter eine höhere Prävalenz der PTBS gegenüber der Allgemeinbevölkerung nachweisbar ist (Beweisanordnung vom 17.5.2021 in dem Revisionsverfahren B 2U 11/20 R). Von dieser Beweisanordnung sollte die Botschaft ausgehen, dass das Verfahre... |