Vorliegend stritten die Parteien über Vergütung wegen Annahmeverzugs und dabei insb. darüber, ob der Kläger es böswillig unterlassen hat, anderweitigen Verdienst zu erzielen.
Die Beklagte kündigte am 15.2.2019 das Arbeitsverhältnis der Parteien betriebsbedingt zum 30.9.2019. Dagegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage, der das ArbG im August 2019 stattgab. Gleichzeitig verurteilte es die Beklagte, den Kläger, wie von ihm beantragt, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen. Die dagegen eingelegte Berufung nahm die Beklagte Ende Dezember 2019 zurück.
Am 1.10.2019 erschien der Kläger entsprechend einer Aufforderung der Beklagten zur Arbeitsaufnahme im Betrieb. Hierzu kam es nicht, weil die Beklagte die vorherige Unterzeichnung einer angebotenen Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis verlangte. Dies lehnte der Kläger mit dem Hinweis darauf ab, im Hinblick auf das arbeitsgerichtliche Urteil auf Weiterbeschäftigung bestehe keine Notwendigkeit für den Abschluss der von der Beklagten vorgelegten gesonderten Vereinbarung. Der Kläger machte sodann Vergütung wegen Annahmeverzug für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2019 unter Abzug des erhaltenen Arbeitslosengelds gerichtlich geltend. Die Revision der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Berufungsurteil blieb erfolglos (BAG, Urt. v. 8.9.2021 – 5 AZR 205/21, NJW 2022, 643, hierzu Burmann, jurisPR-ArbR 5/2022 Anm. 3).
Der Kläger hat für den Streitzeitraum Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzug nach § 615 S. 1 i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB. Die Beklagte hat den Kläger im Streitzeitraum nicht beschäftigt und befand sich aufgrund ihrer unwirksamen Kündigung im Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB). In solchen Fällen ist ein (erneutes) Angebot der Arbeitsleistung nach § 296 BGB nach ständiger Rechtsprechung des BAG nicht erforderlich (s. nur BAG, Urt. v. 21.10.2015 – 5 AZR 843/14, NJW 2016, 1977 Rn 19 m.w.N.).
Hinweis:
Beruft sich der Arbeitgeber gegenüber einem Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzugslohn auf dessen Leistungsunfähigkeit i.S.d. § 297 BGB, erhebt er eine Einwendung, zu deren Voraussetzungen er als Gläubiger der Arbeitsleistung die Darlegungs- und Beweislast trägt. Weil der Arbeitgeber über den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers regelmäßig keine näheren Kenntnisse hat, genügt er seiner primären Darlegungslast grds. schon dadurch, dass er Indizien vorträgt, aus denen auf eine Leistungsfähigkeit im Annahmeverzug Zeitraum geschlossen werden kann (z.B. Krankheitszeiten vor und nach dem Verzugszeitraum). Sind solche Indizien vorgetragen, ist es Sache des Arbeitnehmers, die Indizwirkung der behaupteten Tatsachen zu erschüttern, was naheliegend dadurch geschieht, dass er insoweit die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbindet (s. BAG, Urt. v. 21.7.2021 – 5 AZR 543/20, NZA 2021, 1710).
Die Parteien streiten (nur) darüber, ob der Kläger böswillig Zwischenverdienst unterlassen hat, weil er nicht auf das ihm von der Beklagten angebotene befristete Prozessarbeitsverhältnis eingegangen ist und sich deshalb den entgangenen anderweitigen Verdienst anrechnen lassen muss.
Besteht, wie vorliegend, nach der Entscheidung des ArbG im Kündigungsschutzprozess das Arbeitsverhältnis fort, richtet sich die Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach § 11 Nr. 2 KSchG und nicht nach dem weitgehend inhaltsgleichen § 615 S. 2 BGB (zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche der beiden Normen: s. BAG Urt. v. 2.10.2018 – 5 AZR 376/16, NZA 2018,1544 Rn 28 m.w.N. und Linck, KSchG § 11 Rn 3 f. und unten Hinweis zu 1.).
Nach § 11 Nr. 2 KSchG muss sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Dabei hindert die Anrechnung bereits die Entstehung des Annahmeverzugsanspruchs und führt nicht nur zu einer Aufrechnungslage. Böswilligkeit im Sinne dieser Norm besteht, wenn dem Arbeitnehmer ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt und eine ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert. Maßgeblich für die Beurteilung ist stets eine unter Bewertung aller Umstände des konkreten Falls vorzunehmende Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen.
Das BAG legt dar, dass der Kläger nicht verpflichtet war, trotz des erstrittenen vorläufig vollstreckbaren Weiterbeschäftigungsurteils, während des laufenden Kündigungsschutzprozesses neben dem gekündigten Arbeitsverhältnis ein ihm vom Arbeitgeber vorgeschlagenes befristetes Prozessarbeitsverhältnis einzugehen. Die Vorschrift des § 11 Nr. 2 KSchG regelt – wie § 615 S. 2 BGB – eine aus § 242 BGB hergeleitete Obliegenheit, aus Rücksichtnahme gegenüber dem Arbeitgeber einen zumutbaren Zwischenve...