Während der Achte Senat dem EuGH (BAG, Beschl. v. 28.10.2021 – 8 AZR 370/20, ZIP 2022, 708) vorlegt entscheidet der Sechste Senat (BAG, Urt. v. 15.10.2021 – 6 AZR 253/19, NZA 2022, 115; parallel: 6 AZR 254/19, 6 AZR 332/19) mit „Bordmitteln” nach nationalem Recht. In beiden Fällen geht es um dieselbe Rechtsfrage bei unterschiedlichen Tarifverträgen: Liegen (zuschlagspflichtige) Überstunden vor, wenn Teilzeitbeschäftigte, die vereinbarte regelmäßige wöchentliche Teilzeit überschreiten, aber nicht die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten?
Die Klägerin begehrt vor dem Achten Senat eine Gutschrift auf ihrem Arbeitszeitkonto sowie die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Die Klägerin ist für den Beklagten Dialyseanbieter als Pflegekraft in Teilzeit mit 40 % der wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft beschäftigt. Das Arbeitszeitkonto der Klägerin wies im März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten aus, die über arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistet wurden, aber nicht jenseits der Arbeitszeit einer Vollzeitkraft. Der anwendbare Tarifvertrag sieht bei Überstunden entweder 30 % Zuschlag oder eine entsprechende Zeitgutschrift vor. Der Beklagte verneint Überstunden.
Das ArbG wies die Klage ab, das LAG gab der Klage auf Zeitgutschrift statt und wies im Übrigen ab. Der Achte Senat des BAG ersucht den EuGH, u.a. die folgenden Fragen nach der Auslegung von Unionsrecht zu beantworten:
1. |
Sind Art. 157 AEUV sowie Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 S. 1 der Richtlinie 2006/54/EG so auszulegen, dass eine nationale tarifvertragliche Regelung, nach der die Zahlung von Überstundenzuschlägen nur für Arbeitsstunden vorgesehen ist, die über die regelmäßige Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus gearbeitet werden, eine Ungleichbehandlung von Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten enthält? |
2. |
Ist § 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG so auszulegen, dass eine nationale tarifvertragliche Regelung, nach der die Zahlung von Überstundenzuschlägen nur für Arbeitsstunden vorgesehen ist, die über die regelmäßige Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus gearbeitet werden, eine Ungleichbehandlung von Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten enthält? |
Hinweis:
Ein Blick in § 4 TzBfG hätte eine unmittelbare Entscheidung nach nationalem Recht ermöglicht, wenn auf die Rechtsunwirksamkeit entschieden worden wäre. Diese Entscheidung kann – weil ggf. überschießend arbeitnehmergünstig – nicht gegen Unionsrecht verstoßen. Ein Prozessbevollmächtigter ist bei den Instanzgerichten gut beraten, wenn er im Hinblick auf § 4 TzBfG rechtlichen Vortrag leistet.