Ein Ausfall der in der Rechtsanwaltskanzlei verwendeten Hard- und Software stellt eine vorübergehende technische Störung i.S.d. § 130d ZPO dar (Schultzky, MDR 2022, 201, 202; Biallaß, in: Ory/Weth, a.a.O., § 130d ZPO, Rn 54). Die üblichen Fehlerquellen (Software-Update, Neustart Rechner, Überprüfung der Internetverbindung und ggf. Störungsmeldungen der BRAK) müssen überprüft und ausgeschlossen werden (Günther, K&R 2021, I; Biallaß, in: Ory/Weth, a.a.O., § 130d ZPO, Rn 54). In der Glaubhaftmachung muss dargelegt werden, dass dies geschehen ist.
Fraglich ist, ob vorsorglich eine doppelte Ausstattung der benötigten Hardware vorhanden sein muss. Diese Frage ist insb. für Einzelanwälte, die nicht einfach die weitere in ihrer Kanzlei vorhandene Hardware nutzen können, relevant. Müssen sie auf Vorrat, um Technikproblemen vorzubeugen, einen zweiten PC, einen zweiten Monitor, eine zweite Maus, eine zweite Tastatur und ein zweites Kartenlesegerät vorhalten? Nach Ansicht der Verf.: Nein. Ansonsten würden die an den Rechtsanwalt gestellten Erwartungen unzulässig überspannt (so wohl auch OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 25.1.2022 – 4 MB 78/21 – juris Rn 4: Probleme „bei der Nutzung des Internets” mit dem einzigen PC des Prozessbevollmächtigten wurden als ausreichend angesehen; s. ebenfalls Biallaß in: Ory/Weth, a.a.O., § 130d ZPO, Rn 55; Biallaß, NJW 2023, 25, 26).
Eine Störung des Internets kann ebenfalls eine vorübergehende technische Störung darstellen. Aktuell besteht nicht die Notwendigkeit, dass der Rechtsanwalt sofort dazu in der Lage ist, eine mobile Verbindung zum Internet herzustellen. Es wird jedoch gefordert, dass auf eine schnelle Behebung der Störung hingewirkt wird. Hierzu sollte schnellstmöglich Kontakt mit dem Netzwerkanschlussanbieter aufgenommen und deren Verlauf in der Glaubhaftmachung dargelegt werden. Zeichnet sich ab, dass eine zügige Behebung nicht erfolgt, sollte entweder ein mobiler Hotspot eingerichtet oder dargelegt werden, wieso die Kanzlei-IT die Nutzung eines solchen nicht zuließ (s. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 6.7.2022 – 16 B 413/22 – juris Rn 9).
Die Kündigung des Netzwerkanschlusses oder die Leistungsverweigerung des Netzwerkanschlussanbieters infolge ausbleibender Zahlungen durch den Übermittelnden stellt keine vorübergehende technische Störung dar (Jacoby in: Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, 4. Aufl. 2022, § 14b FamFG Rn 4).
Die technische Ausstattung und die Netzwerkanbindung müssen zum Zeitpunkt des Auftretens der vorübergehenden technischen Störung bereits einmal funktionsfähig gewesen sein (LG Lübeck, Beschl. v. 21.1.2022 – 7 T 19/22 – juris Rn 12; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 31.3.2022 – 19 A 448/22.A – juris Rn 6). Wurden technische Vorrichtungen zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs noch nicht geschaffen, ist die Situation nicht „vorübergehend”, sondern bis zur Ergreifung von Maßnahmen seitens des Einreichenden dauerhaft. Somit muss in der Glaubhaftmachung zwingend vorgetragen werden, dass die notwendige technische Ausstattung schon einmal vollständig vorhanden und einsatzfähig sowie eine Netzwerkanbindung vorhanden war.
Hinweis:
Ein technisches Unvermögen oder ein Unwille, den elektronischen Rechtsverkehr zu nutzen, stellt keine vorübergehende technische Störung dar (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 31.3.2022 – 19 A 448/22.A – juris Rn 3 ff.). Hieran ändert auch ein ausführlicher Vortrag zu der Motivation, beispielsweise der Vortrag eines Rechtsanwalts, dass es ein zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr „taugliches Gerät weder zu kaufen noch zu mieten [gäbe], die Systeme weder sicher noch zumutbar [wären]”, nichts (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 20.9.2022 – 1 LZ 451/22 OVG – juris Rn 4).
Ist der Rechtsanwalt aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, seine Kanzleiräume aufzusuchen, um die Berufungsbegründung von dort als elektronisches Dokument zu übermitteln, stellt dies keine vorübergehende Unmöglichkeit der Übermittlung aus technischen Gründen dar (BGH, Beschl. v. 25.1.2023 – IV ZB 7/22 – juris Rn 13 ff.).