Gesellschafterbeschlüsse, die unter Verstoß gegen gesetzliche oder gesellschaftsvertragliche Vorgaben getroffen worden sind, waren bisher – und zwar unabhängig von der Intensität des Verstoßes – nichtig. Die Nichtigkeit konnte zeitlich auch fast unbegrenzt (allein der Verwirkungseinwand nach § 242 BGB konnte eine Begrenzung herbeiführen) nach der Beschlussfassung geltend gemacht werden, was eine erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge hatte. Dieses Defizit an einer gesetzlichen Regelung im Personenhandelsgesellschaftsrecht hat der Gesetzgeber mit dem MoPeG durch ein eigenständiges Beschlussmängelrecht jetzt behoben.
a) Vorgaben an die Beschlussfassung selbst
§ 109 HGB (dazu Ring, a.a.O., § 3 Rn 41 ff.) formalisiert vor dem Hintergrund der Einführung des neuen Beschlussmängelrechts in den §§ 110 bis 115 HGB das Beschlussverfahren und gestattet im Unterschied zur Parallelregelung des § 714 BGB Mehrheitsbeschlüsse. Ungeregelt bleibt hingegen das Zustandekommen eines Beschlusses. Die Beschlüsse der Gesellschafter werden nach § 109 Abs. 1 HGB in Versammlungen gefasst. Die Versammlung kann gem. § 109 Abs. 2 HGB durch jeden Gesellschafter einberufen werden, der die Befugnis zur Geschäftsführung hat. Die Einberufung erfolgt durch formlose Einladung der anderen Gesellschafter unter Ankündigung des Zwecks der Versammlung in angemessener Frist. Gesellschafterbeschlüsse bedürfen nach § 109 Abs. 3 HGB der Zustimmung aller stimmberechtigten Gesellschafter. Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, ist die Gesellschafterversammlung gem. § 109 Abs. 4 HGB beschlussfähig, wenn die anwesenden Gesellschafter oder ihre Vertreter ohne Rücksicht auf ihre Stimmberechtigung die für die Beschlussfassung erforderlichen Stimmen haben.
b) Beschlussmängelrecht
Das neue eigenständige Beschlussmängelrecht orientiert sich am aktienrechtlichen Anfechtungsmodell (unter Abgehen vom personengesellschaftsrechtlichen Feststellungsmodell, RegE. BT-Drucks 19/27635, S. 11140). Ein Gesellschafterbeschluss kann innerhalb von drei Monaten nach der Beschlussfassung durch Anfechtungsklage angefochten werden. Nur in Ausnahmefällen ist ein Beschluss nichtig. Erfolgt keine Anfechtung, ist der Beschluss – trotz Mangels – gültig, es sei denn, es ist ausnahmsweise Nichtigkeit wegen eines gravierenden Mangels anzunehmen. Infolgedessen muss zwischen anfechtbaren und nichtigen Beschlüssen differenziert werden. Ein Beschluss der Gesellschafter kann nach § 110 Abs. 1 HGB wegen Verletzung von Rechtsvorschriften (d.h. jeder Rechtsnorm oder dem Gesellschaftsvertrag, dazu Ring, a.a.O., § 3 Rn 64) durch Klage auf Nichtigerklärung angefochten werden (Anfechtungsklage). Ein Gesellschafterbeschluss hingegen ist gem. § 110 Abs. 2 HGB (zwingend) von Anfang an (ex tunc) nichtig, wenn er (als abschließende Aufzählung) durch seinen Inhalt Rechtsvorschriften verletzt, auf deren Einhaltung die Gesellschafter nicht verzichten können (Nr. 1, Verstoß gegen zwingendes Recht, dazu Ring, a.a.O., § 3 Rn 66, was durch Auslegung der konkret in Rede stehenden Norm zu ermitteln ist) oder nach einer Anfechtungsklage durch Urteil rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist (Nr. 2, dazu Ring, a.a.O., § 3 Rn 67). Die Nichtigkeit eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses kann jedermann auch auf andere Weise als durch Klage auf Feststellung der Nichtigkeit (Nichtigkeitsklage) geltend machen, „bspw. durch [eine] Einrede, also durch Rechtsverteidigung gegen eine auf den nichtigen Beschluss gestützte Klage” (RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 230).
Hinweis:
Im Personenhandelsgesellschaftsrecht ist die Heilung nichtiger Beschlüsse analog § 242 AktG nicht möglich. Der Beschluss muss noch einmal vorgenommen werden (Ring, a.a.O., § 3 Rn 68).
aa) Anfechtungsklage
Anfechtungsberechtigt ist nach § 111 Abs. 1 HGB jeder Gesellschafter, der oder dessen Rechtsvorgänger im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Gesellschaft angehört hat. Ein Verlust der Mitgliedschaft nach dem Zeitpunkt der Beschlussfassung lässt das Rechtsschutzbedürfnis des Rechtsvorgängers gem. § 111 Abs. 2 HGB unberührt, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Führung des Rechtsstreits hat. Die Anfechtungsklage ist nach § 112 Abs. 1 HGB innerhalb von drei Monaten zu erheben. Eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, welche eine kürzere Frist als einen Monat vorsieht, ist unwirksam. Die Frist beginnt gem. § 112 Abs. 2 HGB mit dem Tag, an dem der Beschluss dem anfechtungsbefugten Gesellschafter bekanntgegeben worden ist. Zuständig für die Anfechtungsklage ist nach § 113 Abs. 1 HGB ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. Adressat der Klage ist gem. § 113 Abs. 2 HGB die Gesellschaft (nicht hingegen die anderen Gesellschafter, Ring, a.a.O., § 3 Rn 79). Wenn außer dem Kläger kein Gesellschafter zur Vertretung der Gesellschaft befugt ist, wird die Gesellschaft von den anderen Gesellschaftern gemeinsam vertreten. Soweit der Gesellschafterbeschluss durch rechtskräftiges Urteil für nichtig erklärt worden ist, wirkt das Urteil nach § 113 Abs. 6 HGB für und gegen die Gesells...