Die Parteien streiten über die fristgerechte Einreichung einer Kündigungsschutzklage durch ihren damaligen Prozessbevollmächtigten bei vorübergehender Störung von Versand und Empfang über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA).
Die streitbefangene Kündigung war am 26.2.2020 zugegangen. Gemäß § 4 S. 1 KSchG hätte eine wirksame Klage bis spätestens zum 18.3.2020 beim zuständigen ArbG Lübeck eingereicht werden müssen. Die Klägerin hat am 17.3.2020 mittels Telefax Kündigungsschutzklage erheben lassen, da der Versand/Empfang über das beA vorübergehend technisch gestört war. In Schleswig-Holstein war das Inkrafttreten des § 46g ArbGG (vgl. etwa auch § 130d ZPO, § 65d SGG, § 32d StPO) – nach S. 1 Pflicht für (u.a.) Rechtsanwälte zur Übermittlung der dort genannten Schriftstücke als elektronische Dokumente – bereits mit Wirkung ab dem 1.1.2020 angeordnet.
Am 18.3.2020 erhielt der frühere Prozessbevollmächtigte (künftig: Prozessbevollmächtigte) der Klägerin vom ArbG den Hinweis, dass die per Telefax eingereichte Klage unzulässig sein könnte, wonach dieser am gleichen Tag eine weitere Klageschrift im Dateiformat docx (im Folgenden: Word-Datei) einreichte. Der zuständige Vorsitzende Richter erhielt von diesem Schriftsatz erst am 27.3.2020 Kenntnis und informierte mit Verfügung vom selben Tag darüber, die nunmehr elektronisch eingegangene Klage dürfte ebenfalls unzulässig sein, weil die Übermittlung nicht in dem zugelassenen Dateiformat PDF erfolgt sei. Gleichzeitig wies er unter Wiedergabe des Wortlauts von § 46c Abs. 6 S. 2 ArbGG auf die Heilungsmöglichkeit nach dieser Norm hin, wobei das Schreiben dem Prozessbevollmächtigten um 12.22 Uhr zugesandt wurde. Dieser übermittelte am gleichen Tag auf elektronischem Wege im Dateiformat PDF eine weitere Klageschrift, die um 17.37 Uhr beim ArbG einging. Eine Glaubhaftmachung (s. § 294 Abs. 1 ZPO, Hinweise zu den insoweit geringen Anforderungen bei Müller, NZA 2023, 89, 92) der inhaltlichen Übereinstimmung dieser Klageschrift mit der am 18.3.2020 eingereichten erfolgte nicht. Nach einem erneuten Hinweis des ArbG, auch die elektronisch eingegangene Klage vom 27.3.2020 dürfte unzulässig sein, weil die Datei nicht eingebettete Schriftarten enthalte, reichte der Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 31.3.2020 eine weitere Klageschrift ein, die am 1.4.2020 einging. Am selben Tag wies er in einem elektronisch übermittelten Schriftsatz im Dateiformat PDF auf die technische Störung beim Versand über das beA am 17.3.2020 hin und bezog sich zu deren Glaubhaftmachung auf einen beigefügten Screenshot der Webseite der Bundesrechtsanwaltskammer.
Das BAG entschied, dass die Frist des § 4 S. 1 KSchG nicht durch die bei der durch Telefax am 17.3.2020 eingereichte Klageschrift gewahrt wurde. Die Klägerin habe die vorübergehende technische Unmöglichkeit einer Übermittlung des Schriftsatzes auf elektronischem Wege nicht gem. § 46d S. 4 ArbGG rechtzeitig glaubhaft gemacht. Diese sei weder zeitgleich mit der Ersatzeinreichung im Wege des Telefaxes noch durch eine unverzügliche Nachreichung vorgenommen worden (Urt. v. 25.8.2022 – 6 AZR 499/21, NZA 2023, 58; s. hierzu auch Müller, NZA 2023, 89 und, zur Abweichung der Auffassungen von BAG und BGH, Bader, NZA 2023, 403).
Nach § 46g S. 4 ArbGG ist die technische Störung zusammen mit der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Zwischen diesen zeitlichen Alternativen der Glaubhaftmachung besteht nach der gesetzlichen Regelung kein Rangverhältnis dergestalt, dass die Gleichzeitigkeit von Ersatzeinreichungen und Glaubhaftmachung vorrangig ist. Vielmehr bestehen die Alternativen gleichrangig. Im Streitfall ist die Glaubhaftmachung der Störung nicht gemeinsam mit dem Telefax am 17.3.2020 vorgenommen worden.
Die Glaubhaftmachung ist auch nicht unverzüglich („ohne schuldhaftes Zögern”, § 121 Abs. 1 S. 1 BGB) nachgeholt worden. Innerhalb welcher Zeitspanne die erforderlichen Erklärungen abzugeben sind, richtet sich demnach nach den Umständen des Einzelfalls (s. bereits BAG, Urt. v. 20.5.2021 – 2 AZR 59/20, NZA 2021, 1178 Rn 14). Unter normalen Umständen ist eine Zeitspanne von einer Woche ausreichend.
Besondere rechtfertigende Umstände, die die Glaubhaftmachung vom 31.3.2020 auch nach zwei Wochen noch als unverzüglich erscheinen lassen, liegen, so das BAG, im Streitfall nicht vor. Das Gericht hebt hervor, dass die Überlegungsfrist bereits dann zu laufen beginnt, wenn der zur Einreichung eines elektronischen Dokuments Verpflichtete Kenntnis davon erlangt, dass die Einreichung wegen einer technischen Störung gescheitert ist. Das war vorliegend spätestens am 19.3.2020 mit Erhalt des gerichtlichen Hinweises vom 18.3.2020 der Fall. Der Einwand der Klägerin, die Glaubhaftmachung sei entbehrlich gewesen, weil die technische Störung des beA vom 17.3.2020 gerichtsbekannt bzw. offenkundig i.S.v. § 271 ZPO gewesen sei, teilt das BAG nicht, da der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Bestimmung gleichwohl in § 46g S. 4 ArbGG den Nachweis einer tech...