Die SBV ist die gewählte, eigenständige Interessenvertretung der schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten als Arbeitnehmervertretung in der Betriebsverfassung bzw. als Beschäftigtenvertretung in der Dienststellenverfassung des öffentlichen Diensts. Ihr gesetzlicher Aufgabenbereich ergibt sich aus § 178 SGB IX (s. hierzu näher die Kommentierung der Norm bei Düwell in: LPK-SGB IX, ein Überblick zum Regelungsinhalt s. dort Rn 4 ff.). Zur Aufgabenzuweisung gehört insb. nach Abs. 1 S. 1 der Vorschrift:
- Die Förderung der Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb (Dienststelle), wobei auch externe, insb. arbeitslos und arbeitsuchend gemeldete schwerbehinderte Menschen erfasst werden (s. § 164 Abs. 1 S. 1 u. 6 SGB IX);
- die Interessenvertretung der im Betrieb (Dienststelle) beschäftigten, schwerbehinderten Menschen;
- Beistand in allen diesen Personenkreis betreffenden Angelegenheiten, u.a. auch bei der Entgegennahme von Anregungen und Beschwerden sowie bei der Antragstellung auf Feststellung einer Behinderung nach § 152 SGB IX.
Zum Aufgabenbereich gehört ferner das Überwachen von Arbeitgeberpflichten hinsichtlich der Einhaltung von Schutzbestimmungen (Abs. 1 S. 2 Nr. 1 der Norm).
Die Aufgaben der SBV obliegt grds. allein der gewählten Vertrauensperson (§ 177 Abs. 1 S. 1 SGB IX); bei dessen Verhinderung ist mind. ein stellvertretendes Mitglied zu wählen. Der Vertretungskörper kann mehrere Personen umfassen, die als Kollektiv zuständig sind (s. näher § 178 Abs. 1 S. 4–6 SGB IX).
Hinweis:
Nach § 178 Abs. 2 S. 3 SGB IX ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses schwerbehinderter Menschen ohne (grds. vorherige, s. aber die in S. 2 der Norm vorgesehene Möglichkeit der Nachholung) Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung unwirksam; die vom BAG entwickelten Grundsätze zur Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG gelten entsprechend, insb. ist dessen Abs. 2 analog anzuwenden (s. BAG, Urt. v. 13.12.2018 – 2 AZR 378/18, NJW 2019, 1016, hierzu die Verf. in ZAP F. 17 R, 950 f. und umfassend Gundel, ZAT 2017, 50; ferner Bayreuther, NZA 2017, 87). Offen ist die Frage, welches Gremium zu beteiligen ist. Im Gegensatz zur Zuständigkeit des jeweiligen örtlichen Betriebsrats, besteht bei der Schwerbehindertenvertretung eine Ersatzkompetenz der Gesamtschwerbehindertenvertretung, die sich aus § 180 Abs. 1 S. 2 und § 180 Abs. 6 S. 1 Hs. 2 SGB IX ergibt. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung, die schwerbehinderten Menschen zu vertreten, für die eine Schwerbehindertenvertretung nicht gewählt ist (so der Wortlaut des § 180 Abs. 6 S. 1 Hs. 2 SGB IX), wäre bei einer Kündigung das jeweilige Ersatzgremium zu beteiligen, auch wenn im Betrieb eine Schwerbehindertenvertretung nicht besteht (vgl. Gundel, ZAT 2017, 50, 54).
Die Vertretung wird nach § 177 Abs. 1 S. 1 SGB IX u.a. in Betrieben mit wenigstens fünf – nicht nur vorübergehend beschäftigten – schwerbehinderten Menschen für eine Amtszeit von regelmäßig vier Jahren gewählt. Das BAG hatte zu klären, ob die Existenz der Vertretung davon berührt wird, dass die Beschäftigungszahl in einem Betrieb während der vierjährigen Laufzeit auf weniger als fünf absinkt. Das Gesetz enthält hierzu keine ausdrückliche Regelung. Vorliegend war der Arbeitgeber bei einem solchen Absinken der Beschäftigungszahl von einer Beendigung des Amts ausgegangen, die von der Schwerbehindertenvertretung erhobene Feststellungsklage blieb (Beschlussverfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG) in den Tatsacheninstanzen erfolglos. Das BAG gab jedoch der vom LAG zugelassenen Rechtsbeschwerde (§ 92 ArbGG) statt (Beschl. v. 19.10.2022 – 7 ABR 27/21, NZA 2023, 379).
Sinkt die Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter im Betrieb unter den Schwellenwert von fünf, ist das Amt der Schwerbehindertenvertretung nicht vorzeitig beendet. Dies entspricht der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur. Eine ausdrückliche Regelung, die das Erlöschen der SBV bei Absinken der Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter unter den Schwellenwert nach § 177 Abs. 1 S. 1 SGB IX vorsieht, besteht im Gesetz nicht. Eine vorzeitige Beendigung der Amtszeit ist auch nicht aus gesetzessystematischen Gründen oder im Hinblick auf Sinn und Zweck des Schwellenwerts geboten.
Hinweis:
Das BAG (Rn 40) weist auf einen von Gundel, ZAT 2017, 50 erörterten Gesichtspunkt hin: Im Bereich der Schwerbehindertenvertretung gibt es eine Ersatzkompetenz! Besteht in einem Betrieb eines Unternehmens keine Schwerbehindertenvertretung, so werden die dortigen schwerbehinderten Menschen von der Schwerbehindertenvertretung des anderen Betriebs des Unternehmens ersatzweise vertreten (§ 180 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 SGB IX). Der AG hat dann bei der Kündigung diese Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen (so nun auch an versteckter Stelle: Rolfs, Erfurter Kommentar, § 178 Rn 15).
Dasselbe gilt bei Bestehen einer Gesamtschwerbehindertenvertretung und deren Ersatzkompetenz, § 180 Abs. 6 S. 1 Alt. 2 SGB IX und bei Bestehen einer Konzernschwerbehindertenvertretung (§ 180 Abs. 2 und Abs. 6...