§ 142 StGB ist in doppelter Hinsicht ein Fremdkörper im Strafgesetzbuch. Das Entfernen vom Tatort wird gesondert bestraft, obgleich generell die Selbstbegünstigung gem. § 258 Abs. 4 StGB straflos ist. Jeder Straftäter darf den Tatort ungestraft verlassen, lediglich bei Verkehrsunfällen sind die Beteiligten zur Selbstanzeige verpflichtet.

Die zweite Besonderheit besteht darin, dass geschütztes Rechtsgut allein das Eigentum des Geschädigten ist und die Strafbarkeit der Unfallflucht ausschließlich der Beweissicherung aller aus dem Unfall sich ergebenden zivilrechtlichen Ansprüche dient.

Der Straftatbestand der Unfallflucht hat in seiner mehr als 100-jährigen Geschichte eine Vielzahl von Veränderungen erfahren. Ausgangspunkt ist das Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3.5.1909 (KFG). Nach § 7 KFG wurde das Verlassen der Unfallstelle mit Geldstrafe bis zu 300 Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Monaten bestraft. § 7 Abs. 2 KFG sah jedoch Straflosigkeit vor, wenn der Täter spätestens am nachfolgenden Tag nach dem Unfall Anzeige bei einer inländischen Polizeibehörde erstattete und die Feststellung des beteiligten Fahrzeuges und seiner Person bewirkte („Tätige Reue”).

Diese Vorschrift wurde vom nationalsozialistischen Gesetzgeber in § 139a StGB in der Strafandrohung verschärft, außerdem wurde die tätige Reue gestrichen, weil am nächsten Tag nicht mehr feststellbar sei, ob der Unfall sich unter Alkoholeinfluss ereignet habe.

Bei Unfallflucht besteht oft der Verdacht, dass Unfallflucht auf Alkoholgenuss zurückzuführen ist, obgleich der BGH in mehreren Entscheidungen ausgeführt hat, dass Unfallflucht als solche kein Indiz für alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit ist.

§ 139a StGB wurde durch das 3. Strafrechtsänderungsgesetz vom 4.8.1953 ohne inhaltliche Änderung in § 142 StGB übernommen. In den folgenden Jahren wurde § 142 StGB mehrfach geändert. Der nunmehrige Vorschlag des Bundesjustizministers Marco Buschmann, Unfallflucht bei Sachschäden nur noch als Ordnungswidrigkeit zu ahnden, dürfte sachgerecht sein.

In den europäischen Nachbarländern, z.B. in Frankreich, Dänemark und Belgien, gibt es bereits die Regelung, dass Unfallflucht nur bei Personenschäden strafrechtlich geahndet werden soll.

In der Kraftfahrzeugversicherung hat die Unfallflucht große Bedeutung: Die Unfallflucht wird als Aufklärungsobliegenheit definiert mit der Maßgabe, dass völlige Leistungsfreiheit in der Kaskoversicherung eintritt, während beim Haftpflichtschaden eine Regressmöglichkeit von bis zu 5.000 EUR besteht. Eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung führt zur völligen Leistungsfreiheit des Versicherers, dem Versicherungsnehmer steht lediglich der schwer zu führende Kausalitätsgegenbeweis zur Verfügung. Der Versicherer kann sich unabhängig vom Strafverfahren auf die Obliegenheitsverletzung berufen, das Strafverfahren ist insoweit nicht bindend, Leistungsfreiheit besteht u.a. auch dann, wenn das Strafverfahren gem. § 153 StPO eingestellt wird.

Nach § 142 Abs. 4 StGB kann von Strafe abgesehen werden, wenn der Unfallbeteiligte „innerhalb von 24 Stunden freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht”. Wer das parkende Fahrzeug seines Nachbarn, der sich im Urlaub befindet, beschädigt, muss notgedrungen bei der Polizei Anzeige erstatten, wenn ihm die Urlaubsanschrift des Nachbarn nicht bekannt ist.

Da lediglich das Eigentumsinteresse des Geschädigten geschütztes Rechtsgut ist, sollte es auch dem Geschädigten freigestellt werden, auf eine Bestrafung des Unfallgegners zu verzichten. Es bietet sich daher nach Ansicht des Verfassers an, § 142 StGB als Antragsdelikt zu normieren, wie dies bei der vergleichbaren Vorschrift: § 288 Abs. 2 StGB (Vereitelung der Zwangsvollstreckung) geregelt ist.

Diese Regelung ist auch deshalb sachgerecht, weil die strafbare Vortat Sachbeschädigung (§ 303 StGB) nur auf Antrag verfolgt wird, während die Nachtat (Unfallflucht) ein Offizialdelikt ist. Die Systemwidrigkeit von § 142 StGB wird dazu führen, dass diese Vorschrift auch weiterhin kontrovers diskutiert wird. Ein sinnvoller Anfang ist gemacht, wenn Unfallflucht bei Sachschäden als Ordnungswidrigkeit sanktioniert wird. Man könnte dann sogar daran denken, § 142 StGB ersatzlos zu streichen, da das Verlassen einer Unfallstelle mit Verletzten ohnehin durch § 323c StGB (Unterlassene Hilfeleistung) sanktioniert wird.

Unfallflucht ist zwar kein Kavaliersdelikt, sollte jedoch bei bloßen Sachschäden nur als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

ZAP F., S. 513–514

Rechtsanwalt Dr. Hubert W. van Bühren, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Köln

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