Das Gericht ist gehalten, die Sach- und Rechtslage mit den Parteien umfassend zu besprechen, Fragen zu stellen und Hinweise zu erteilen (§ 139 ZPO). Auch Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet den Richter zum Rechtsgespräch mit den Beteiligten (Bietz DRiZ 2003, 406, 408 f.). Leider gerät diese Erörterung manchmal sehr knapp, wenn Richter schlecht vorbereitet sind oder sich scheuen, die eigene Auffassung zur Diskussion zu stellen.
Praxishinweis:
Die Parteien sollten dann selbst die Initiative ergreifen und das Gericht um eine vorläufige Einschätzung des Rechtsstreits bitten.
Bekundet das Gericht seine Einschätzung, sollten die Parteien überlegen, ob sie ihren bisherigen Sachvortrag oder ihre Beweisantritte ergänzen müssen. Soweit erforderlich, sollte beantragt werden, dass das Gericht eine Frist setzt, um Erklärungen schriftlich nachzureichen (Schriftsatznachlass, § 139 Abs. 5 ZPO – dazu unten X. 1.).
Diesem Antrag kann sich ein Richter, der erst in der mündlichen Verhandlung Hinweise gibt, nicht entziehen. Nach § 139 Abs. 4 ZPO muss das Gericht die Hinweise "so früh wie möglich" erteilen, also im Regelfall schon vor der mündlichen Verhandlung, damit sich die Parteien angemessen vorbereiten können. Dies folgt auch aus § 273 Abs. 1 ZPO, wonach das Gericht vorbereitende Maßnahmen rechtzeitig zu veranlassen hat.
Räumt das Gericht der Partei keine ausreichende Gelegenheit ein, auf einen Hinweis zu reagieren, so steht dies einer Verletzung der Hinweispflicht gleich (OLG Hamm, Urt. v. 12.9.2003 – 20 U 46/03).
Beispiele:
- "Hinweise sind nicht in der Form kryptischer Andeutungen, quasi als Aufforderung zur Weiterbildung, zu erteilen, sondern es ist knapp aber eindeutig zu benennen, zu welcher Frage es an ausreichendem Vortrag oder an einem Beweisantritt fehlt. Hinweise sind darüber hinaus rechtzeitig zu erteilen. Geschieht dies, wie hier, erst in der mündlichen Verhandlung und benennt die Partei daraufhin einen Zeugen, so kann dieser Beweisantritt nicht als verspätet zurückgewiesen werden." (OLG Oldenburg, Urt. v. 16.3.2005 – 3 U 120/04)
- "Das Gericht erfüllt seine Hinweispflicht gem. § 139 Abs. 1 ZPO nicht, wenn es vor der mündlichen Verhandlung lediglich allgemeine und pauschale Hinweise erteilt. Es muss die Parteien vielmehr auf den fehlenden Sachvortrag, den es als entscheidungserheblich ansieht, unmissverständlich hinweisen und ihnen die Möglichkeit eröffnen, ihren Vortrag sachdienlich zu ergänzen [ ... ]. Ein richterlicher Hinweis erfüllt nur dann seinen Zweck, Unklarheiten, Unvollständigkeiten und Irrtümer auszuräumen, wenn er gezielt und konkret den einzelnen Mangel anspricht." (BGH, Urt. v. 18.4.2013 – I ZR 66/12; dazu Anm. Elzer GWR 2013, 487).