Die Verwandtenerbfolge wird durch die Einteilung in Ordnungen in ein Rangfolgeverhältnis gebracht. Danach gehören zu den Erben der ersten Ordnung die Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel, § 1924 BGB), zu den Erben der zweiter Ordnung die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (Tante und Onkel, § 1925 BGB), zu den Erben der dritten Ordnung die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (§ 1926 BGB), zu den Erben der vierten Ordnung die Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (§ 1928 BGB). Schließlich legt § 1930 BGB die Reihenfolge der gesetzlichen Erbfolge fest, wonach ein Verwandter nicht zur Erbfolge berufen ist, solange ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung vorhanden ist.
Ergänzt wird dieses Ordnungssystem durch das Stammes- und Liniensystem sowie das Repräsentationsprinzip. Nach dem Stammesprinzip begründet jedes Kind des Erblassers als Stammvater oder Stammmutter einen neuen Stamm innerhalb der ersten Ordnung, zu dem alle seine Abkömmlinge gehören. Entsprechend eröffnet jeder Elternteil des Erblassers eine Linie, zu der wiederum alle deren Abkömmlinge gehören (mütterliche und väterliche Linie). Durch das Repräsentationsprinzip wird bewirkt, dass innerhalb eines Stammes oder einer Linie die gradnächsten Verwandten den gradferneren Verwandten in der Erbfolge ausschließen (Schlüter/Röthel, Erbrecht, 17. Aufl., § 8 Rn 3). Das Ordnungssystem soll im Folgenden anhand von Beispielen erläutert werden.
aa) Erbfolge der Verwandten erster Ordnung
Beispiel 1:
Die Erblasserin E ist verstorben. Der Ehemann sowie die Tochter A sind bereits vorverstorben. A hat die zwei Kinder D und F. Weiter hinterlässt E eine nicht verheiratete Tochter B sowie einen verheirateten Sohn C, der einen Sohn G hat. Wer ist gesetzlicher Erbe geworden?
Lösung:
Nach § 1924 Abs. 1 BGB sind gesetzliche Erben der ersten Ordnung die Abkömmlinge des Erblassers. Die Erblasserin E hat drei Kinder. Dazu tritt das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten, § 1931 BGB. Der Ehemann ist vorverstorben, womit er bei der Erbfolge keine Rolle spielt. Die Tochter B sowie der Sohn C sind gesetzliche Erben zu je ein Drittel nach § 1924 Abs. 1 BGB geworden. Der Sohn G der C partizipiert an der Erbfolge nicht mit. Als Repräsentant seines Stammes schließt C als gradnäherer Verwandter den gradferneren Verwandten G von der Erbfolge aus, § 1924 Abs. 2 BGB. Bei der vorverstorbenen A treten die Kinder D und F zu je ein Sechstel an deren Stelle. An die Stelle eines zzt. des Erbfalls nicht mehr lebenden Abkömmlings treten die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge, § 1924 Abs. 3 BGB. Als Abkömmlinge sind B und C zu je ein Drittel sowie die D und F zu je ein Sechstel gesetzliche Erben geworden.
bb) Erbfolge der Verwandten zweiter Ordnung
Beispiel 2:
Der Erblasser E ist verstorben. E war weder verheiratet noch hatte er Kinder. Bei seinem Tode lebt noch als gesetzlicher Erbe sein Vater B sowie die Großeltern mütterlicherseits C und D. Die Mutter (A) ist bereits vorverstorben. Wer ist gesetzlicher Erbe geworden?
Lösung:
Der Vater B ist in diesem Fall als gesetzlicher Erbe der zweiten Ordnung alleiniger Erbe geworden. Die Großeltern des E, C und D sind Erben dritter Ordnung, § 1926 Abs. 1 BGB. Durch das Repräsentationsprinzip sind die Erben der dritten Ordnung durch die Erben der zweiten Ordnung von der Erbfolge ausgeschlossen, § 1930 i.V.m. § 1925 Abs. 3 S. 2 BGB. B schließt daher C und D von der Erbfolge aus.
cc) Erbfolge der Verwandten dritter Ordnung
Beispiel 3:
Die Erblasserin E ist verstorben. Ihre Eltern A und B sowie der Großvater F väterlicherseits sind vorverstorben. Die Großmutter G väterlicherseits sowie die Großeltern mütterlicherseits C und D leben im Erbfall. Die E war weder verheiratet noch hatte sie Kinder. Wer ist gesetzlicher Erbe geworden?
Lösung:
Die Großeltern mütterlicherseits C und D sind als gesetzliche Erben der dritten Ordnung zu je ein Viertel Erben der E geworden, § 1926 Abs. 1 BGB. Die Großeltern väterlicherseits sind ebenfalls nach § 1926 Abs. 1 BGB Erben zu je ein Viertel geworden. Allerdings ist der Großvater F bereits vorverstorben, wodurch der Großmutter G sein Erbteil zufällt. Sofern Abkömmlinge der Großeltern nicht vorhanden sind, fällt der Anteil des Verstorbenen dem anderen Teil des Großelternpaars zu, § 1926 Abs. 3 S. 2 BGB. G ist daher gesetzliche Erbin zur Hälfte neben den gesetzlichen Erben C und D zu je ein Viertel geworden.