Nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn sie – abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung – infolge Krankheit arbeitsunfähig sind. Ob und ggf. in welchem Umfang Krankengeld beansprucht werden kann, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das zum Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für Krankengeld vorliegt.
Die durch die Beschäftigten-Versicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) begründete Mitgliedschaft endet nicht mit dem Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt endet (§ 190 Abs. 2 SGB V), sondern besteht unter den Voraussetzungen des § 192 SGB V fort, was u.a. der Fall ist, solange ein Anspruch auf Krankengeld besteht (§ 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Der dadurch erfolgte Verweis auf die Vorschriften über den Krankengeldanspruch bedeutet, dass ein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld vorliegen muss. Bis zum 22.7.2015 stellte § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V für den Beginn des Krankengeldanspruchs (außerhalb stationärer Behandlung) auf den Tag ab, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (AU) folgt (s. aber BSG, Urt. v. 10.5.2012 – B 1 KR 19/11 R, ZAP F. 18, 1274 f.), seitdem entsteht der Anspruch am Tag der Feststellung.
Für die AU-Folgebescheinigung galt bis zum 22.7.2015 nach früherer, recht rigider Rechtsprechung des 1. Senats des BSG (s. etwa BSG, Urt. v. 4.3.2014 – B 1 KR 17/13 R, hierzu ZAP F. 18, 1401; BSG, Urt. v. 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R u. 32/13 R), dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankenbewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt werden musste und zwar auch dann, wenn der letzte Tag der vorhergehenden Arbeitsunfähigkeit auf einen Samstag oder auf einen Sonntag fällt. Der Gesetzgeber hat daraufhin auch mit Wirkung ab 23.7.2015 in § 46 Abs. 1 S. 2 SGB V angeordnet, dass der Anspruch auf Krankengeld jeweils bis zu dem Tag bestehen bleibt, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag – Samstage gelten insoweit nicht als Werktage – nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.
Der früher zuständige 1. Senat des BSG hat bei fehlender oder verspäteter AU-Feststellung ausnahmsweise gleichwohl einen Krankengeldanspruch bejaht, wenn die Feststellung durch Umstände verhindert wurde, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen sind bzw. bei von der Krankenkasse zu vertretenden Organisationsmängeln, ferner bei Nichterteilung einer AU-Bescheinigung wegen irrtümlich verneinter Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer ärztlichen Fehlbeurteilung (BSG, Urt. v. 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R; s. auch Lange jurisPR-SozR 16/2016, Anm. 2). In Fällen, in denen im Zusammenhang mit der Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit Ärzte unzutreffende rechtliche Auskünfte erteilt haben, hat das BSG Krankengeldansprüche verneint und die Versicherten auf Schadensersatzansprüche gegen ihre Ärzte verwiesen.
Der Klägerin war im Zeitraum 23.11.2012 bis zum 3.1.2013 ununterbrochen Arbeitsunfähigkeit attestiert worden. Sie hat ihren Hausarzt noch am 3.1.2013 aufgesucht und ihn auf die Krankmeldung bzw. die Notwendigkeit der Verlängerung angesprochen. Dieser erklärte, es reiche aus, dass die Fachärztin, bei der die Klägerin am kommenden Tag einen Termin habe, die entsprechende Feststellung ausstelle. Das BSG bejahte den Anspruch der Klägerin auf Krankengeldzahlungen über den 7.1.2013 hinaus und hob das klageabweisende Berufungsurteil auf. Der Senat erweitert die bereits in bisheriger Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle um den Fall der aus nichtmedizinischen Gründen irrtümlich nicht zeitgerecht erstellten AU-Bescheinigung. Unter der Voraussetzung, dass keine Zweifel an der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit im maßgeblichen Zeitraum vorliegen und keinerlei Anhaltspunkte für einen Leistungsmissbrauch ersichtlich sind, haben die Versicherten – wie hier die Klägerin – Anspruch auf Krankengeld, wenn sie
alles in ihrer Macht Stehende und ihnen Zumutbare getan haben, um die Ansprüche zu wahren, indem sie einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufsuchen und ihm ihre Beschwerden schildern,
- um die ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen, und
- dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. anspruchserhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeldanspruch erfolgt ist,
- an der Wahrung der Ansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurden (wie hier durch die irrtümlich nicht zeitgerecht erstellte AU-Bescheinigung),
- und – zusätzlich – ihre Rechte bei der Krankenkasse unverzügli...