Bei gleichgelagerten Verstößen im selben, abgemahnten Pflichtenkreis muss der Arbeitnehmer mit weitergehenden arbeitsrechtlichen Schritten rechnen, die bis hin zur (außerordentlichen) Kündigung des Arbeitsverhältnisses reichen können (vgl. BAG, Urt. v. 19.4.2012 – 2 AZR 258/11, NZA-RR 2012, 567). Die Abmahnung soll dem Arbeitnehmer die Folgen seines vertragswidrigen Verhaltens aufzeigen und ihm deutlich machen, dass das Arbeitsverhältnis im Wiederholungsfall beendet werden kann. Diese Warnung ist nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes notwendig. Beruht eine Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten eines Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann.
Auch formell fehlerhafte Abmahnungen entfalten regelmäßig die erforderliche Warnfunktion (vgl. BAG, Urt. v. 28.6.2018 – 2 AZR 436/17, NZA 2018, 1259; v. 19.2.2009 – 2 AZR 603/07, NZA 2009, 894; v. 15.12.1994 – 2 AZR 251/94; v. 21.5.1992 – 2 AZR 551/91, NZA 1992, 1028). Insofern kommt es allein auf die sachliche Berechtigung der Abmahnung und darauf an, ob der Arbeitnehmer ihr den Hinweis entnehmen konnte, der Arbeitgeber erwäge für den Wiederholungsfall die Kündigung. Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist der Arbeitnehmer unabhängig von formellen Unvollkommenheiten der Abmahnung gewarnt.
Zahlreiche Abmahnungen des Arbeitnehmers wegen gleichartiger Pflichtverletzungen, denen keine weiteren Konsequenzen von Seiten des Arbeitgebers folgen, können kontraproduktiv sein. Sie schwächen die Warnfunktion der Abmahnung so ab, dass trotz eines gleichgelagerten Pflichten- und Vertragsverstoßes nicht gekündigt werden kann, weil der Arbeitnehmer sie für "leere" Drohungen halten darf (vgl. Küttner/Eisemann, Personalbuch 2018, 25. Aufl. 2018, Stichwort: Abmahnung, Rn 22 unter Hinweis auf BAG, Urt. v. 27.9.2012 – 2 AZR 955/11, NZA 2013, 425). Die vorschnelle Empfehlung "viel hilft viel" ist deshalb im Arbeitsrecht unter Umständen ein fehlerhafter Rechtsrat.
Die Androhung "arbeitsrechtlicher Konsequenzen" kann eine hinreichende Warnung vor einer Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses oder seines Inhalts sein. Mit einer solchen Formulierung wird ausgedrückt, dass der Arbeitnehmer im Wiederholungsfall mit allen denkbaren arbeitsrechtlichen Folgen bis hin zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechnen muss. Eine ausdrückliche Kündigungsandrohung ist dafür nicht erforderlich. Es ist ausreichend, wenn der Arbeitnehmer erkennen kann, der Arbeitgeber werde im Wiederholungsfall möglicherweise auch mit einer Kündigung reagieren (BAG, Urt. v. 19.4.2012 – 2 AZR 258/11, NZA-RR 2012, 567; v. 18.1.1980 – 7 AZR 75/78 Rn 22, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).
Praxishinweis:
Als Merksatz und Erkenntnis gilt, dass der Arbeitgeber mit der Abmahnung klarstellen muss, dass er sich einseitige Schritte zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder seines Inhalts vorbehält. Um bildlich gesprochen "auf der sicheren Seite zu sein" und um bei dem Arbeitnehmer die richtige Wahrnehmung und Warnung zu erzeugen, empfiehlt es sich aber für den Arbeitgeber, in der Abmahnung im Fall eines erneuten gleichgelagerten Pflichtenverstoßes die dann drohende Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausdrücklich anzusprechen.
Formulierungsbeispiel für eine Kündigungsandrohung:
- " ... behalten wir uns eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung vor";
- " ... gefährden Sie Ihren Arbeitsplatz" (vgl. Diller ArbRAktuell 2010, 595);
- " ... behalten wir uns arbeitsrechtliche Schritte vor, die bis hin zu einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses reichen können".