Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde für Wohnungseigentumssachen erst für anzufechtende Entscheidungen eröffnet, die nach dem 31.12.2015 verkündet worden sind, § 62 Abs. 2 WEG. Zschieschack (NZM 2016, 20, 21) hat bereits zu Beginn des Jahres 2016 darauf hingewiesen, in der Praxis werde sich die Beschwer als Hauptproblem der seit dem 1.1.2016 geltenden Rechtslage herausstellen. Auf Grund der "sperrigen und in der Praxis kaum handhabbaren" Vorschrift des § 49a GKG entspreche der Streitwert nahezu nie der Beschwer. Dass dem in der Tat so ist, mussten seither viele Beschwerdeführer, deren Beschwerde von dem V. Zivilsenat als unzulässig verworfen wurde, erfahren. Die nachfolgende Darstellung berücksichtigt primär die Rechtsprechung des für u.a. für das Wohnungseigentumsrecht zuständigen V. Zivilsenats des BGH (s. bereits Brändle, ZfIR 2017, 553 und Brändle, Kolumne ZAP 2017, 1217 f).
Der Wert der Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelführers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung ("Angreiferinteresse"; s. schon RG, Urt. v. 27.12.1899 – VI 76/99, RGZ 45, 402, 403-405; im Einzelnen: Brändle, ZAP 2019, 753 = F. 13, S. 2247). Die Parteirolle des Beschwerdeführers ist unerheblich. Die Beschwer der Parteien ist nicht zwangsläufig identisch. Es ist allein auf die Person des Rechtsmittelführers, seine Beschwer und sein Änderungsinteresse abzustellen; entscheidend ist der rechtskraftfähige Inhalt der angefochtenen Entscheidung (BGH, Beschl. v. 19.6.2013 – V ZB 182/12, juris Rn 7). Dieses Interesse ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten. Nichts anderes gilt in wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren (BGH, Beschl. v. 6.12.2018 – V ZR 63/18, juris Rn 2).
1. Beschwer und Streitwert
Nach § 49a Abs. 1 S. 1 GKG ist der Streitwert in Wohnungseigentumssachen auf 50 % des Interesses der – also beider – Parteien und aller Beigeladenen an der Entscheidung festzusetzen. Die jeweiligen Interessen sind, auch soweit sie sich überschneiden, zu addieren und das Ergebnis ist sodann durch zwei zu teilen. Nach § 49a Abs. 1 S. 2 GKG wird er nach unten auf das Interesse des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen und nach oben auf das Fünffache hiervon begrenzt. Nach § 49a Abs. 1 S. 3 GKG stellt der Verkehrswert des Wohnungseigentums zudem die absolute Obergrenze dar. Eine entsprechende Obergrenze gibt es in § 49a Abs. 2 GKG für Klagen gegen einzelne Wohnungseigentümer. Das Gericht muss den gem. § 49a Abs. 1 S. 3 GKG für die Obergrenze maßgeblichen Verkehrswert schätzen. Da eine sachverständige Begutachtung i.R.d. Streitwertfestsetzung nicht in Betracht kommt, ist es Sache der Partei, dem Gericht die für die Schätzung erforderliche Tatsachengrundlage zu unterbreiten (BGH, Beschl. v. 6.12.2018 – V ZR 239/17, juris Rn 5). Die Verkehrswerte mehrerer Wohnungseigentumseinheiten desselben Klägers sind zusammenzurechnen; maßgeblich ist der Verkehrswert aller Einheiten eines Klägers, obwohl das Wohnungseigentum des Klägers in der Norm im Singular genannt wird (BGH, Beschl. v. 6.12.2018 – V ZR 239/17, juris Rn 5).
Die Vorschrift ist zwar vielleicht etwas sperrig, aber durchaus handhabbar, wenn die Parteien zu ihrem jeweiligen Interesse vortragen. Das Praxisproblem für den in dritter Instanz tätigen Rechtsanwalt beim BGH liegt eher darin, dass die Parteien gar nicht oder nicht ausreichend vortragen und sich die Instanzgerichte mit rudimentären Angaben zufriedengeben und froh sind, den Streitwert irgendwie – und sei es freihändig am Gesetz vorbei – festzusetzen.
Praxistipp:
Das Interesse des Mandanten ist plausibel darzulegen und glaubhaft zu machen. Freihändige Streitwertfestsetzungen durch die Instanzgerichte sind zu beanstanden.
Selbst einem Kläger, der den Rückbau einer vom Beklagten eigenmächtig vorgenommenen Erneuerung der Zuwegung verlangt (BGH, Beschl. v. 6.4.2017 – V ZR 254/16, juris Rn 1), wird es von den Instanzgerichten offenbar durchgelassen, dass er zu seinem eigenen Interesse kein Wort sagt, um den Streitwert dann kurzerhand und außerhalb des Gesetzes auf die Kosten der Baumaßnahmen festzusetzen (BGH, Beschl. v. 6.4.2017 – V ZR 254/16, juris Rn 5). Diese Sachbehandlung war jedoch fehlerhaft. Gerade der Kläger muss – wie immer – primär sein Interesse und nicht das des Gegners darlegen, sonst kann schon nicht überprüft werden, ob ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Es hätte den Instanzgerichten daher oblegen, den Kläger entsprechend § 139 Abs. 2 ZPO darauf hinzuweisen, dass er nicht nur, wie offenbar geschehen, das Interesse der Beklagten (Kosten der Baumaßnahmen), sondern auch sein eigenes Interesse (z.B. den Wertverlust seines Teileigentums, erlittene Nachteile durch die Baumaßnahme) darzulegen hat. Soweit der V. Zivilsenat in der gleichen Sache bei seiner Entscheidung über die Anhörungsrüge dagegen meint, aus Sicht des Berufungsgerichts bestehe kein Anlass, im Hinblick auf ein etwaiges Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vorsorglich auf eine Bezifferung der Beschwer hinzuwirken (BGH, Beschl. v. 22.6.2017 – V ZR 254/16, juris R...