Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden, § 80 Abs. 5 VwGO.
Praxishinweis:
Einstweiliger Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO ist aufgrund des prozessualen Vorrangs der §§ 80 und 80a VwGO in den von diesen Vorschriften erfassten Fällen, in denen in der Hauptsache um Rechtsschutz gegen einen belastenden Verwaltungsakt in Form der Anfechtungsklage ersucht wird (beispielsweise gegen einen Haftungsbescheid), ausgeschlossen (VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 28.12.2012 – 5 L 1444/12).
Gericht der Hauptsache ist das Gericht, bei dem die Anfechtungsklage anhängig ist bzw. zu erheben wäre. Eine Aussetzung bei einer Verpflichtungsklage bzw. einem Verpflichtungswiderspruch kommt nicht in Betracht.
a) Antrag
Die Antragstellung ist in den meisten Fällen unproblematisch und sollte in Anlehnung an den Gesetzeswortlaut erfolgen. Zudem ist das Gericht an die Fassung eines Antrags nicht gebunden und kann diesen umdeuten, weil es zu einer umfassenden Prüfung des Rechtsschutzgesuches unter allen denkbaren Kriterien verpflichtet ist (vgl. Mann/Wahrendorf, Verwaltungsprozessrecht, 4. Aufl. 2015, Rn 407 m.w.N.). Antragsbefugt ist derjenige, bei dem die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte nicht auszuschließen ist. Die Antragsfrist endet bei Unanfechtbarkeit des Ausgangsverwaltungsakts; dann und bei einer Erledigung fällt das Rechtsschutzinteresse weg.
Sofern eine Behörde irrtümlich davon ausgeht, dass einem Rechtsmittel gegen einen vor ihr erlassenen belastenden Verwaltungsakt keine aufschiebende Wirkung zukommt, kann wirksamer vorläufiger Rechtsschutz nur in der Weise gewährleistet werden, dass der auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellte Antrag analog § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO in einen Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung umgedeutet wird. Für einen solchen Antrag besteht auch ein rechtlich schützenswertes Interesse, weil ohne die begehrte Feststellung ein rechtswidriger faktischer Vollzug droht (VG Arnsberg, Beschl. v. 17.7.2012 – 11 L 431/12).
Praxishinweis:
Der Vollzug oder die freiwillige Erfüllung der sich aus einem Bescheid ergebenden Forderung stellt keine Erledigung dar, vgl. auch § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO.
Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich, dass der Antrag bereits vor Klageerhebung zulässig ist; teilweise umstritten ist, ob dies auch für eine Widerspruchseinlegung gilt. Solange die Widerspruchsfrist noch nicht abgelaufen ist, wäre es aber reine Förmelei, auf der Einlegung als Zulässigkeitsvoraussetzung zu bestehen. Eine unterschiedliche Behandlung von Anfechtungsklage und Anfechtungswiderspruch lässt sich nur schwer begründen.
b) Prüfungsumfang
Der Prüfungsmaßstab für eine Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist gesetzlich nicht geregelt. Die Gerichte haben damit einen großen Entscheidungsspielraum und gehen nach dem sog. modell-akzessorischen/interessenbewertenden Maßstab vor (Quaas, a.a.O., Rn 252 m.w.N.).
Analog zu der behördlichen Aussetzungsentscheidung nach § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO (s.o. IV.2) sind zunächst die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels im Hauptsacheverfahren zu prüfen. Bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes überwiegt i.d.R. das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse.
Bei offenen Erfolgsaussichten wird eine Abwägung der beiderseitigen Interessen vorgenommen. Die Gerichte haben insoweit ein weites Ermessen. Bei der Interessenabwägung ist der grundsätzliche Vorrang des Vollzugsinteresses zu beachten. Eine Abweichung von der gesetzgeberischen Grundentscheidung stellt die Ausnahme dar. Zu den Einzelheiten im Zusammenhang mit den Erfolgsaussichten in der Hauptsache und der Kritik an Teilen der Rechtsprechung (s.o. IV.2.a).
Beispiel:
Allein die Behauptung, eine Steuer habe erdrosselnde Wirkung, rechtfertigt nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs.
In Eilverfahren wird wegen der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Zeit lediglich summarisch geprüft und eine Beweisaufnahme wird i.d.R. nicht durchgeführt. Es können weder schwierige Rechtsfragen abschließend entschieden noch komplizierte Tatsachenfeststellungen getroffen werden. Die erforderliche Prognose über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren kann nur mit den Mitteln des Eilverfahrens getroffen werden. Demgemäß sind in erster Linie die vom Rechtsschutzsuchenden selbst vorgebrachten Einwände zu berücksichtigen, andere Fehler der Heranziehung hingegen nur, wenn sie sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich aufdrängen (OVG Münster, Beschl. v. 27.10.1999 – 13 B 843/99 m.w.N.). Der an...