Die Bundesregierung will Unternehmen verpflichten, menschenrechtliche Standards in all ihren globalen Produktionsstätten einzuhalten. Dazu hat sie nun den Entwurf für ein „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten” vorgelegt. Das Gesetz soll ab 2023 für Unternehmen mit 3.000 Beschäftigten, ab 2024 für Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten gelten.
Aufgrund der hohen internationalen Verflechtung ihrer volkswirtschaftlichen Branchen stehe die Bundesrepublik in einer besonderen Verantwortung, auf eine Verbesserung der weltweiten Menschenrechtslage entlang von Lieferketten hinzuwirken und die Globalisierung mit Blick auf die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung” sozial zu gestalten, heißt es in der Begründung des Entwurfs. Die Pflicht, die Menschenrechte des Einzelnen zu achten, zu schützen und einzuhalten, liege bei den Staaten. Die Verantwortung von Unternehmen für die Achtung der Menschenrechte bestehe aber unabhängig von der Fähigkeit oder Bereitschaft der Staaten, ihrer Pflicht zum Schutz der Menschenrechte nachzukommen.
Die Verantwortung der Unternehmen soll sich auf die gesamte Lieferkette erstrecken, abgestuft nach den Einflussmöglichkeiten. Die Pflichten müssen durch die Unternehmen in ihrem eigenen Geschäftsbereich sowie gegenüber ihren unmittelbaren Zulieferern umgesetzt werden. Mittelbare Zulieferer werden einbezogen, sobald das Unternehmen über substantielle Kenntnisse von Menschenrechtsverletzungen auf dieser Ebene verfügt. Die Unternehmen werden verpflichtet, eine menschenrechtliche Risikoanalyse durchzuführen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, Beschwerdemöglichkeiten einzurichten und über ihre Aktivitäten zu berichten. Das umfasst auch den Umweltschutz, wenn Umweltrisiken zu Menschenrechtsverletzungen führen können.
Die Bundesrechtanwaltskammer (BRAK) begrüßt dieses Anliegen, kritisiert den Gesetzentwurf jedoch im Detail. Er weise „einige markante Schwachstellen” auf, resümiert die Kammer in ihrer offiziellen Stellungnahme zu diesem Vorhaben. So moniert die BRAK etwa, dass die Regelungen des Gesetzes nur für Unternehmen mit i.d.R. mindestens 3.000 Arbeitnehmern, ab Januar 2024 mit 1.000 Arbeitnehmern Anwendung finden sollen. Damit würden lediglich 600 und ab 2024 knapp 3.000 Unternehmen erfasst. Mittelständische Unternehmen blieben damit im Dunkelfeld „unterhalb des gesetzlichen Radars”.
Zudem weist die BRAK darauf hin, dass sich mit dem neuen Gesetz Abgrenzungsfragen zu bereits existierenden Schutzvorschriften im nationalen Recht stellen, etwa zum Arbeitsschutzgesetz, zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und zum Entgelttransparenzgesetz. Diese offenen Abgrenzungsfragen könnten, so die Kritik, zu Rechtsunsicherheiten führen.
Auch die im Gesetz vorgesehene Prozessstandschaft sei als tragfähige Grundlage für ein gerichtliches Verfahren viel zu unbestimmt. Es stellten sich etwa die folgenden Fragen: Was ist eine Rechtsposition? Wann ist eine Rechtsposition „überragend wichtig”? Was versteht man unter der gerichtlichen Geltendmachung „seiner Rechte”? Ist eine überragend wichtige Rechtsposition damit ein justiziables Recht? Wer ist Schuldner und damit Klagegegner?
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass entgegen den ursprünglichen Plänen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im jetzigen Regierungsentwurf keine zivilrechtliche Haftungsklausel mehr enthalten ist. Damit bestünden die schwierigen verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Hürden für Entschädigungsansprüche Betroffener aus Drittländern vor deutschen Gerichten weiter fort, so die BRAK.
Nicht zuletzt regt die Kammer an, zunächst die europäischen Entwicklungen abzuwarten, bevor ein deutsches Gesetz erlassen wird. Ein Entwurf der EU-Kommission über Sorgfaltspflichten zum Schutz von Menschenrechten und der Umwelt in der Lieferkette sei bereits für das 2. Quartal 2021 angekündigt. Ansonsten müssten die deutschen Unternehmen zunächst das deutsche Gesetz umsetzen, um sodann nach Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht erneut neue bzw. geänderte Regeln zu implementieren. Dieser Mehraufwand sollte vermieden werden.
[Quelle: BRAK]