Gemäß § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG wird ein Familiennachzug nicht zugelassen, wenn feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Diese im Jahr 2007 eingeführte Regelung verfolgt der Gesetzesbegründung zufolge den Zweck, den Anreiz entfallen zu lassen, Zweckehen zu schließen oder Zweckadoptionen vorzunehmen, um ein hierauf gestütztes Aufenthaltsrecht zu erlangen (vgl. BT-Drucks 16/5065, S. 170; BT-Drucks 16/5498, S. 4 f.). Die Frage, ob dem Ausschlussgrund des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG auch die Fallgestaltung der Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses zwischen einem seine Vaterschaft ohne genetische Abstammung anerkennenden deutschen Staatsangehörigen und einem minderjährigen ledigen Kind mit dem Ziel, dessen ausländischer Mutter ein Aufenthaltsrecht zur Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu ermöglichen (Zweckvaterschaftsanerkennung), unterfällt, wurde in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet.
Das BVerwG stellt in dem Urt. v. 26.5.2020 (1 C 12.19, BVerwGE 168, 159 ff. = InfAuslR 2020, 331 ff.) mit umfangreicher Begründung klar, dass § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ein Nachzugsbegehren nach Maßgabe des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft des ausländischen Elternteils mit seinem minderjährigen ledigen deutschen Kind im Bundesgebiet in den Fällen der Zweckvaterschaftsanerkennung nicht ausschließe. Verwandtschaftsverhältnis i.S.d. § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG sei allein die zwischen dem Nachziehenden – hier der ausländischen Mutter – und dem Stammberechtigten – hier dem minderjährigen ledigen deutschen Kind – begründete verwandtschaftliche Beziehung. Teil dieser Beziehung sei nicht der die Vaterschaft des ausländischen Kindes anerkennende deutsche Staatsangehörige. Auch eine analoge Anwendung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG auf die Konstellation der Zweckvaterschaftsanerkennung scheide aus, da es jedenfalls an der insoweit erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehle.
Hinweis:
Auf der Ebene des Bundesrates gibt es erste Bestrebungen, die vorstehende Auslegung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG durch das BVerwG durch eine gesetzliche Änderung der Vorschrift obsolet werden zu lassen. Im Zuge des Gesetzesantrags des Landes Nordrhein-Westfalen zur Reform des Verbots missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen (BR-Drucks 586/20) hat der federführende Rechtsausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten unter Verweis auf die Entscheidung des BVerwG u.a. eine Neufassung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG empfohlen (vgl. BR-Drucks 586/1/20). Danach soll der Anwendungsbereich der Vorschrift um die Konstellation der Vaterschaftsanerkennung durch einen Deutschen mit dem Ziel, einem Kind die deutsche Staatsangehörigkeit zu vermitteln und damit auch dem ausländischen Elternteil des Kindes oder einem anderen Familienangehörigen ein Aufenthaltsrecht zu ermöglichen, erweitert werden, um dem Sanktionstatbestand des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG umfassende Wirkung zu verschaffen. Eine am 6.11.2020 vorgesehene Befassung des Bundesrates mit dem Gesetzesantrag sowie den Ausschussempfehlungen wurde kurzfristig von der Tagesordnung gesetzt. Es bleibt abzuwarten, ob bzw. in welcher Form § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG eine gesetzliche Neufassung erfährt.
Neben der Frage der Reichweite des Anwendungsbereichs des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG hat das BVerwG in der vorgenannten Entscheidung weitere, in der behördlichen und gerichtlichen Praxis sich immer wieder stellende Rechtsfragen einer höchstrichterlichen Klärung zugeführt bzw. seine bisherige Rechtsprechung bestätigt. So werde die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 S. 1 AufenthG durch die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis – im Streitfall nach § 25 Abs. 5 AufenthG – nicht aufgehoben. In Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung vertritt das BVerwG weiterhin die Auffassung, dass der Begriff des „Anspruchs auf Erteilung” in § 10 Abs. 3 S. 3 Hs. 1 AufenthG allein den gesetzlichen Anspruch bezeichne, mithin einen strikten Rechtsanspruch, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebe und der voraussetze, dass alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt seien; Ansprüche aufgrund einer Soll-Vorschrift bzw. einer Ermessensreduzierung auf Null genügten hingegen nicht. Eine einschränkende Auslegung der Regelung sei auch nicht durch höherrangiges Recht (Art. 20 AEUV, Art. 6 GG, Art. 8 EMRK) geboten. Darüber hinaus könne ein Ausländer, dem nach Rücknahme eines Asylantrags eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt worden sei, nach § 39 S. 1 Nr. 1 AufenthV die Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck vom Inland aus begehren. Dabei sei ein Ausländer, dessen Aufenthaltserlaubnis gem. § 81 Abs. 4 S. 1 AufenthG fortgilt, jedenfalls dann...