Hinweis:
Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad erörtert Koehl SVR 2021, 60.
a) Cannabis
Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist ungeeignet zum Führen von Kfz, wer bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis den Konsum und das Fahren nicht trennen kann. Bei der Einnahme von Medizincannabis im Rahmen einer ärztlichen Verordnung beurteilt sich die Frage der Fahreignung nach der Nr. 9.6 der Anlage 4 FeV. Das gilt auch im Fall des Beigebrauchs von Alkohol (VG Würzburg SVR 2020, 474 [Koehl]).
Hinweis:
Einen Überblick zum Umgang mit verordneten Medikamenten bei Verkehrsteilnahme im Straf- und Bußgeldrecht sowie im Verwaltungsrecht gibt Koehl DAR 2021, 5.
Die vom Betroffenen unbemerkte Verabreichung durch Dritte und daher unbewusste Einnahme von Betäubungsmitteln stellt nach allgemeiner Lebenserfahrung eine seltene Ausnahme dar. Daher muss, wer sich auf eine ausnahmsweise unbewusste Aufnahme eines Betäubungsmittels beruft, einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt und der damit auch zumindest teilweise der Nachprüfung zugänglich ist. Eine Verunreinigung der für eine Haarprobe entnommenen Haare durch exogene Antragungen stellt in gleicher Weise eine Ausnahme dar (VGH München VRR 12/2020, 22 [Burhoff]). Zwar ist der widerrechtliche Betäubungsmittelbesitz ein Tatbestandsmerkmal, für das die Fahrerlaubnisbehörde die materielle Beweislast trägt. Vor dem Hintergrund, dass der Erwerb einer „Scheindroge” ein seltener Ausnahmefall ist, ist im Rahmen der Beweiswürdigung jedoch die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte und plausible Darlegung des Gegenteils hiervon nicht ausgegangen werden muss (VGH München zfs 2020, 657 = NZV 2021, 167 [Gail]).
b) Harte Drogen
Eine Entziehung der Fahrerlaubnis kommt regelmäßig schon bei einmaligem bewusstem Konsum harter Drogen (hier: Amphetamin) in Betracht (VG Gelsenkirchen NZV 2020, 656 [Metz]).
c) Sonstige Eignungsmängel
Die Beibringung eines MPU-Gutachtens zur Klärung von Eignungszweifeln kann angeordnet werden bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung steht, insb. wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen oder die erhebliche Straftat unter Nutzung eines Fahrzeugs begangen wurde (§ 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 FeV), und wenn die besondere Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen zu überprüfen ist (§ 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 8 FeV; VGH München zfs 2021, 56 Ls.). Zu den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer auf § 11 Abs. 2 S. 1 FeV gestützten Anordnung der Beibringung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation im Falle einer depressiven Episode näher OVG Saarlouis zfs 2021, 58.
d) Verfahrensfragen (insb. Gutachtenanordnung)
Die Anordnung eines MPU-Gutachtens muss aus Gründen der Verhältnismäßigkeit stets anlassbezogen sein. Deshalb darf dem Betroffenen nicht mehr an Untersuchungen abverlangt werden als erforderlich. Gegenüber einer ärztlichen Untersuchung stellt eine medizinisch-psychologische Begutachtung den größeren Eingriff dar, weil sie eine Offenlegung der engeren persönlichen Lebenssphäre erfordert. Daher ist zunächst nur eine ärztliche Untersuchung anzuordnen, wenn nicht ausnahmsweise von vornherein davon auszugehen ist, dass nur eine MPU zur Klärung der Eignungszweifel geeignet und erforderlich ist. (VGH München zfs 2021, 56). Eine Fahrerlaubnisentziehung auf der Grundlage des Fahreignungs-Bewertungssystems ist rechtswidrig, wenn der Betroffene zuvor nicht ermahnt und verwarnt worden ist (OVG Magdeburg NJW 2020, 3474; abw. wohl OVG Dresden zfs 2020, 599). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung. Die nachträgliche Beibringung des Gutachtens im gerichtlichen Verfahren hat daher keinen Einfluss auf die Beurteilung (VG Bremen DAR 2021, 168).
Die in § 3 Abs. 4 S. 1 StVG angeordnete Bindungswirkung gilt nicht nur für die Maßnahme der Entziehung selbst, sondern nach ihrem Sinn und Zweck für das gesamte Entziehungsverfahren unter Einschluss der vorbereitenden Maßnahmen, sodass in derartigen Fällen die Behörde schon die Beibringung eines Gutachtens nicht anordnen darf. Die Bindungswirkung im Strafverfahren entfällt, wenn das Strafurteil überhaupt keine Ausführungen zur Kraftfahreignung enthält oder wenn jedenfalls in den schriftlichen Urteilsgründen unklar bleibt, ob das Strafgericht die Fahreignung eigenständig beurteilt hat (VGH München DAR 2020, 707 m. Anm. Koehl). Bei Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem muss der Betroffene rechtskräftige Entscheidungen über eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit gegen sich gelten lassen. Die Rechtskraft wird nicht schon mit der gerichtlichen Feststellung der Zulässigkeit eines Wiederaufnahmegesuchs, sondern erst mit der Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigt (VGH München DAR 2021, 167 = zfs 2021, 118). Wurde bei der Ermittlung des Punktest...