Enteignung und ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen haben gemein, dass es sich um finale Eingriffe in das Eigentum handelt. Denkbar ist aber auch, dass der Staat rein faktisch eine Eigentumsposition beeinträchtigt. Für diese Konstellation ist das Haftungsinstitut des "enteignungsgleichen Eingriffs" entwickelt worden.
Aufbauschema:
Anspruchsgrundlage: gewohnheitsrechtlich anerkannt; allgemeiner Aufopferungsgedanke aus §§ 74, 75 EALR
a) Voraussetzungen
Ursprünglich vom BGH aus Art. 14 Abs. 3 GG abgeleitet wird im Nachgang zur Nassauskiesungsentscheidung des BVerfG als Rechtsgrundlage der in §§ 74, 75 EALR enthaltene, gewohnheitsrechtliche Aufopferungsgedanke herangezogen. Ein Rückgriff auf dieses Haftungsinstitut ist allerdings nur möglich, solange spezialgesetzliche Regelungen keine entsprechenden Entschädigungsansprüche zusprechen.
Beispiel:
Entschädigungsregelung im Allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht über die Haftung für rechtswidriges schuldloses Handeln der Ordnungsbehörden/Polizei (z.B. § 39 Abs. 1b) OBG NRW).
Um den Entschädigungsanspruch zu begründen, muss durch unmittelbare hoheitliche Handlung in eine Eigentumsposition i.S.d. Art. 14 Abs. 1 GG eingegriffen worden sein.
Hoheitliche Maßnahmen können Rechtsakte (Verwaltungsakte, Satzungen, Rechtsverordnungen), Realakte und sogar das Versagen technischer Einrichtungen sein.
Judikatives Unrecht kommt aufgrund des Rechtsgedankens des § 839 Abs. 2 BGB nicht in Betracht. Legislative Handlungen in Form von Gesetzesbeschlüssen scheiden ebenfalls aus, da wegen der weitreichenden Folgen auch bezogen auf das Staatsbudget ein solcher Anspruch dem Parlamentsvorbehalt unterfällt. Eine richterrechtlich entwickelte Haftung reicht insoweit nicht aus. Gleiches gilt für sog. Beruhensakte, deren Rechtswidrigkeit allein auf der Verfassungswidrigkeit des zugrundeliegenden Parlamentsgesetzes beruht. Insoweit ist der Betroffene auf die Möglichkeit eines Primärrechtsschutzes verwiesen. Untergesetzliches Recht kann hingegen einen Eingriff darstellen.
Beispiel:
Ein Gastronom und Hotelier kann im Grundsatz einen Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff infolge der coronabedingten Schließung seiner Gaststätte samt Hotel durch eine Rechtsverordnung geltend machen. Da die Rechtsverordnung allerdings rechtmäßig ist, scheidet im Ergebnis eine Entschädigung aus (Brandenburgisches OLG, Urt. v. 1.6.2021 – 2 U 13/21, juris).
Durch die staatliche Maßnahme muss dem Betroffenen ein Sonderopfer auferlegt werden. Das Sonderopfer liegt in der Rechtswidrigkeit des eingetretenen Erfolgs, die allerdings durch die Rechtswidrigkeit der hoheitlichen Maßnahme indiziert wird. Anders als beim Amtshaftungsanspruch ist der Entschädigungsanspruch verschuldensunabhängig. Das Prinzips des Vorrangs des Primärrechtsschutzes (kein "Dulde und Liquidiere") wird über die Vorschrift des Mitverschuldens, § 254 BGB analog, in die Prüfung des Anspruchs aufgenommen. Dies hat zur Folge, dass der Anspruch bezüglich solcher Nachteile ausgeschlossen ist, die durch die Rechtsmitteleinlegung hätten vermieden werden können. Ob der Geschädigte darüber hinaus aus dem Schadensereignis auch Ansprüche gegen Dritte hat, ist für die Frage, ob ihm im Interesse der Allgemeinheit durch hoheitlichen Zwang ein Sonderopfer in gleichheitswidriger Weise abverlangt worden ist, grds. ohne Bedeutung. Die Regelung des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB gilt nicht für andere selbstständige Erstattungsansprüche gegen den Staat (BGH, Urt. v. 14.3.2013 – III ZR 253/12, BGHZ 197, 43-51).
b) Rechtsfolgen
Als Rechtsfolge steht dem Betroffenen eine angemessene Entschädigung zu, die mit einem Schadensersatz nicht deckungsgleich ist. Die Höhe der Entschädigung orientiert sich an dem Verkehrswert der entzogenen Substanz. Die Verjährung richtet sich nach §§ 194 ff. BGB.
c) Prozessuales
Da der Anspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs einen Aufopferungsanspruch darste...