Entsprechend der zivilrechtlichen Definition liegt eine Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) vor, wenn jemand (Geschäftsführer) ein fremdes Geschäft für einen anderen (Geschäftsherr) besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein.
1. Voraussetzungen
Die Geschäftsführung ohne Auftrag ist auch im Öffentlichen Recht grds. anerkannt und richtet sich nach §§ 677 ff. BGB analog. Die Abgrenzung zur privatrechtlichen GoA richtet sich nach der Rechtsnatur des Geschäfts, wenn der Geschäftsherr dies selbst vorgenommen hätte. Wäre dieses öffentlich-rechtlicher Natur, ist eine öffentlich-rechtliche GoA denkbar.
Ein Rückgriff auf die §§ 677 BGB analog kommt nur in Betracht, wenn nicht Spezialregelungen vorgreiflich sind (Beispiel: Kostenerstattung nach einer Ersatzvornahme). Hinsichtlich der Rollenverteilung, wer Geschäftsherr und Geschäftsführer sein kann, lassen sich im Grundsatz drei Konstellationen bilden. Eine öffentlich-rechtliche GoA scheidet aus, wenn sowohl der Geschäftsherr als auch der Geschäftsführer Hoheitsträger sind, da in dieser Fallgruppe der hoheitliche Geschäftsführer die Kompetenzordnung unzulässigerweise durchbricht, indem er ein Geschäft für einen anderen Hoheitsträger vornimmt. Eine restriktiv anzunehmende Ausnahmesituation liegt in Notfällen vor, in denen der Geschäftsführer keine eigene (polizeiliche) Eilfallzuständigkeit hat.
Beispiel:
Nimmt eine Behörde eine eigene Aufgabe (Unterbringung eines Fundtieres) wahr, so kommt ein Aufwendungsersatzanspruch aus einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag gegen einen anderen Verwaltungsträger grds. jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn dessen Zuständigkeit der eigenen Aufgabe nicht vorgeht (BVerwG, Urt. v. 26.4. 2018 – 3 C 24/16, BVerwGE 162, 71–82).
Ob ein hoheitlicher Geschäftsführer im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen GoA für einen privaten Geschäftsherrn tätig werden kann, ist umstritten. Der BGH nimmt dies an (BGH, Urt. v. 5.7.2018 – III ZR 273/16, NJW 2018, 2714–2718). Problematisch ist allerdings, dass durch die §§ 677 ff. BGB nicht das Fehlen einer Ermächtigungsgrundlage umgangen werden soll. Dies gilt insb. in Bezug auf fehlende Kostenerstattungsregelungen.
Von daher ist der Hauptanwendungsfall der öffentlich-rechtlichen GoA die Situation, in der ein privater Geschäftsführer ein Geschäft eines Hoheitsträgers vornimmt.
Beispiel:
Kommt der Schulträger seiner Bereitstellungspflicht hinsichtlich der für den ordnungsgemäßen Unterricht erforderlichen Lehrmittel nicht nach, muss er einem Lehrer die Kosten für die Anschaffung eines für den Unterricht notwendigen Schulbuches erstatten (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 14.3.2013 – 6 A 1760/11, NVwZ-RR 2013, 759–763).
Um ein (auch) fremdes Geschäft annehmen zu können, muss die vorgenommene Handlung jedenfalls auch in den Aufgabenbereich des Hoheitsträgers fallen. Der Geschäftsführer muss mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt haben. Es muss des Weiteren an einem Auftrag oder einer sonstigen Berechtigung zur Vornahme der Geschäftshandlung fehlen. Zuletzt muss die Geschäftsführung dem Interesse und dem Willen des Hoheitsträgers entsprechen. Maßgeblich ist insoweit, dass ein öffentliches Interesse an der Erfüllung der Aufgabe durch den privaten Geschäftsführer besteht. Neben echten Notfällen genügt es, dass das private Einschreiten geboten gewesen ist, weil der Staat eigentlich verpflichtet war, selbst einzuschreiten.
2. Rechtsfolgen
Auf Rechtsfolgenseite kann der Geschäftsführer einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Geschäftsherrn geltend machen (§§ 683 S. 1, 670 BGB analog) oder die Herausgabe des Erlangten verlangen (§§ 681 S. 2, 667 BGB analog). Schließlich kann Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB analog verlangt werden, wenn eine Pflichtverletzung vorliegt.
ZAP F. 19, S. 21–30
Von Pierre Becker-Rosenfelder, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht, Köln