Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA).
2. Ausgeschlossen bleiben muss die Anwendung der Grundsätze über die GoA, soweit dadurch die in anderen Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts normierte Risikoverteilung unterlaufen würde. Zu den solchermaßen mit einem Anspruch zusammenhängenden Risiken rechnen auch die Grundsätze zur Verjährung desselben. In diesem Sinne statuiert für den Ausgleich im Innenverhältnis von Gesamtschuldnern die gesetzliche Regelung von § 426 BGB einen Vorrang vor der GoA (§§ 677, 683 BGB)
3. Die Voraussetzungen einer GoA hat derjenige darzulegen und zu beweisen, der aus ihrem Vorliegen Rechtsfolgen für sich herleitet. Hierbei ist zu beachten, dass die Vermutung eines Fremdgeschäftsführerwillens bei eigenen und zugleich fremden Geschäften grundsätzlich widerleglich ist. In diesem Zusammenhang reicht es zur Widerlegung einer richterrechtlich formulierten Vermutung aus, wenn der nach der Lebenserfahrung anzunehmende Kausalzusammenhang - hier: die Vermutung über das Vorliegen des Willens zur Fremdgeschäftsführung - zur Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) von der beweispflichtigen Partei nicht geführt werden kann.
Verfahrensgang
LG Neubrandenburg (Beschluss vom 24.06.2008; Aktenzeichen 4 O 225/07) |
Tenor
Die Gegenvorstellung des Klägers vom 26.6.2008 gegen den Beschluss des Senats vom 24.6.2008 - 1 U 90/08, wird zurückgewiesen.
Gründe
Die zulässige Gegenvorstellung ist unbegründet. Derzeit sind vor dem Senat zu (nahezu) identischen Sach- und Rechtsfragen gegen den Beklagten zwei Verfahren anhängig: jenes zum Az.: 1 U 173/07 und das vorliegende Verfahren zum Az.: 1 U 90/08. In beiden Fällen stützt der Kläger seine weitere Rechtsverfolgung auf den Gedanken, der Klageanspruch könne aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag begründet sein. In genau dieser Weise verhält sich auch die Gegenvorstellung des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit, die ihrerseits wiederum auf den ergänzenden Sachvortrag Bezug nimmt.
Der Senat erlaubt sich - umgekehrt - auf die Zurückweisung eines Anspruches aus GoA (§§ 677, 683 BGB) und die dafür gelieferten Gründe zu verweisen, wie sie im Verfahren 1 U 173/07 mit Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO dargestellt worden sind (denn auch bei Abweichungen in Einzelpunkten [die soweit möglich gestrichen wurden] ist keine grundsätzlich andersgeartete Sichtweise auszumachen). Diese Gründe lauten - teilweise abgewandelt und auf den vorliegenden Rechtsstreit bezogen - wie folgt:
1. Das Ziel seiner Rechtsverfolgung stützt der Kläger jetzt (offenbar) allein noch auf die Inanspruchnahme des Beklagten auf der Grundlage der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 BGB). Auch mit einer solchen Klagebegründung kann er keinen Erfolg haben.
a) Denn die Voraussetzungen einer GoA bei der Zahlung des Klägers an die Gläubigerin hat er nicht hinreichend dargetan.
aa) Als Geschäftsführer ohne Auftrag handelt, wer ein Geschäft nicht nur als eigenes, sondern - mindestens auch - als fremdes besorgt, also mit dem Bewusstsein, der Erkenntnis und dem Willen handelt, (auch) im Interesse eines anderen tätig zu werden (BGHZ 16, 12, 13; 65, 354, 357; 114, 248, 249 f.; NJW 2000, 72; Palandt/Sprau, a.a.O., § 677 Rz. 3 m.w.N.). Das Geschäft muss für den Geschäftsführer keinen objektiv fremden Bezug aufweisen, sondern es genügt i.d.R. dessen Fremdgeschäftsführungswille. Dieser verlangt allerdings das Bewusstsein (kognitives Element) und den Willen (voluntatives Element), das (wenn auch objektiv eigene oder neutrale) Geschäft für den Anderen zu führen (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., Soergel/Beuthien, BGB, 13. Aufl., § 677 Rz. 3 m.w.N.); in diesen Sinne muss das Geschäft objektiv der Sorge eines anderen obliegen (vgl. MünchKomm/Seiler, a.a.O., § 677 Rz. 3 m.w.N.). Hierbei sind je nach der Art des Geschäftes an den Fremdgeschäftsführungswillen unterschiedliche Anforderungen zu stellen, außerdem darf die gesetzliche Risikoverteilung nicht unterlaufen werden (vgl. BGH, NJW 2000, 72 Tz. 7 u. 10; NJW 2007, 63, Tz. 12 u. 14, zit. jeweils nach: juris).
bb) Zur Geschäftsführung ohne Auftrag unterscheidet der BGH zwischen objektiv und subjektiv fremden Geschäften. Bei objektiv fremden Geschäften, die schon ihrem Inhalt nach in einen fremden Rechts- und Interessenkreis eingreifen (wie etwa bei der Hilfe eines Verletzten, der Tilgung fremder Schulden oder der Veräußerung einer fremden Sache) wird der Fremdgeschäftsführungswille vermutet. Dasselbe gilt für den Willen, ein fremdes Geschäft mit zu besorgen, falls es sich auch um ein objektiv fremdes Geschäft handelt, wozu genügt, dass das Geschäft seiner äußeren Erscheinung nach nicht nur dem Besorger, sondern auch dem Dritten zugute kommt (vgl. BGHZ 40, 28, 31; 65, 354, 357; 82, 323, 330 f.; 98, 235, 240; NJW 1999, 858, 860; NJW 2000, 72, 73; NJW 2007, 63, 64; jeweils m.w.N.).
Hingegen erhalten objektiv eigene oder neutrale Geschäfte ihren Fremdcharakter erst durch den Willen des Geschäftsführers (auch) zu einer Fremdgeschäft...