Gemäß § 11 Abs. 8 S. 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich entgegen einer Anordnung der Beibringung eines Gutachtens untersuchen zu lassen, oder wenn er das geforderte Gutachten nicht beibringt. Bedenken gegen die körperliche bzw. geistige Fahreignung bestehen nach § 11 Abs. 2 S. 2 FeV insb., wenn Tatsachen bekannt werden, die konkret auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV hinweisen. Nicht erforderlich ist, dass eine solche Erkrankung oder ein solcher Mangel bereits feststeht. Ob die der Behörde vorliegenden Tatsachen für die Gutachtenanordnung ausreichen, ist nach den gesamten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen (OVG Münster NZV 2022, 102 [Voigt]). Aus der Nichtbeibringung eines MPU-Gutachtens darf nur dann der Schluss auf die fehlende Fahreignung gezogen werden, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig, insb. anlassbezogen und verhältnismäßig ist. Bei Nichtbeibringung liegt der Schluss auf die fehlende Fahreignung nicht im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde. Vielmehr gilt ein Eignungsmangel durch die Verweigerung zur Vorlage des angeforderten Gutachtens als nachgewiesen. Die Länge der Beibringungsfrist von etwa drei Monaten ist ausreichend (VGH München NJW 2022, 413; OVG Saarlouis zfs 2021, 595 Ls.). Die Fahrerlaubnisbehörde hat bei der Anordnung der Vorlage eines ärztlichen Gutachtens die Entscheidung, wer von den in § 11 Abs. 2 S. 3 Nrn. 1 bis 5 FeV genannten Gutachtergruppen das Gutachten erstellen soll, nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Hierbei sind die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung in den Blick zu nehmen. Für die ordnungsgemäße Ausübung des Ermessens muss die Fahrerlaubnisbehörde jedenfalls darlegen, aus welchem Grund sie eine von den Begutachtungsleitlinien abweichende Gutachterauswahl getroffen hat (OVG Münster DAR 2022, 167).
Die Fahrerlaubnisbehörde ist nicht aufgrund der Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils gehindert, erneut die Vorlage eines Gutachtens nach § 11 Abs. 2 FeV anzuordnen, wenn das Verwaltungsgericht die auf ein zuvor vorgelegtes negatives Gutachten gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis mit der Begründung aufgehoben hat, das Gutachten sei unschlüssig und nicht nachvollziehbar (OVG Magdeburg SVR 2022, 36 [Koehl]).
Hat ein Fahrerlaubnisinhaber, bei dem in der Vergangenheit eine Cannabisabhängigkeit festgestellt worden ist, erneut Cannabis konsumiert, so kann dieser Konsumakt, soweit er nicht unmittelbar zum Wegfall der Kraftfahreignung führt, die Anordnung eines MPU-Gutachtens nach § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FeV rechtfertigen (OVG Lüneburg NJW 2021, 2903). Die Fahrerlaubnisbehörde ist zwar grds. berechtigt, einem Fahrerlaubnisinhaber zur Abklärung seines Konsumverhaltens gem. § 14 I 2 FeV zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens aufzufordern. Gleichwohl muss die Anordnung zumindest erkennen lassen, dass die Fahrerlaubnisbehörde ihren Ermessensspielraum gesehen und ausgeübt hat (VGH München NJW 2021, 3408). Die Anforderung eines MPU Gutachtens nach § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ist auch dann nicht unangemessen, wenn der Betroffene vorträgt, er habe mit dem Fahrrad nur eine sehr kurze Strecke bei nur geringem Verkehrsaufkommen zurückgelegt (OVG Magdeburg zfs 2021, 595).
§ 4 Abs. 5 S. 6 Nr. 1 StVG ermöglicht die Berücksichtigung von im Fahreignungsregister eingetragenen Punkten für einen Verkehrsverstoß auch dann, wenn dieser vor dem Ergreifen einer Maßnahme begangen wurde, bei der Maßnahme aber noch nicht verwertet werden konnte, etwa weil deren Ahndung erst später Rechtskraft erlangt hat oder sie erst später im Fahreignungsregister eingetragen oder der Behörde zur Kenntnis gelangt ist. Zudem stellt § 4 Abs. 6 S. 4 StVG ausdrücklich auf den Kenntnisstand der Fahrerlaubnisbehörde ab. Die Fahrerlaubnisbehörde muss sich weder das Wissen, über das eine im Maßnahmensystem „vorgelagerte” Stelle hinsichtlich weiterer Verkehrsverstöße des betroffenen Fahrerlaubnisinhabers verfügt, noch ein Verschulden dieser Stellen bei der Datenübermittlung zurechnen lassen (OVG Münster zfs 2022, 54; VRR 2/2022, 22 [Deutscher]; NZV 2022, 103 [Brandmair]). Die möglichst zeitnah zu ergreifenden Maßnahmen der Ermahnung und Verwarnung nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem werden nicht schon durch Mitteilungen des Betroffenen oder seines Bevollmächtigten an die Fahrerlaubnisbehörde ausgelöst, sondern erst durch die dem Kraftfahrt-Bundesamt obliegende übermittlung vorhandener Eintragungen aus dem Fahreignungsregister (VGH München NJW 2022, 799; zfs 2022, 177).
Will die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, so kann sie gem. § 3 Abs. 4 S 1 StVG zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Be...