Bei einem registrierten Rechtsdienstleister wird es rechtlich komplizierter. Für ORM kommt nur ein Inkassounternehmen (§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG) infrage. Um die Voraussetzungen dieses Erlaubnistatbestands (§§ 3, 10 RDG) zu erfüllen, muss zumindest ein Bezug zu einer Forderungseinziehung (Inkassodienstleistung i.S.d. § 2 Abs. 2 S. 1 RDG) bestehen. Betreffend Reputationsschäden geht es in erster Linie um Unterlassungsansprüche, die meist auf den quasinegatorischen Anspruch (§§ 823 Abs. 1, 1004 BGB, wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) gestützt werden. Denkbar sind auch Ansprüche aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO/§ 35 BDSG („Recht auf Vergessen”). Ansprüche auf Löschung von Negativäußerungen lassen sich im Falle eines Vertragsverhältnisses (z.B. Kundenbewertung) auf §§ 280, 241 Abs. 2 BGB stützen oder auf §§ 823 ff. BGB. In seiner Entscheidung zum Portal „wenigermiete” hat der BGH den Begriff „Inkassodienstleistung” extensiv ausgelegt (Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, ZAP EN-Nr. 2/2020). über das herkömmliche Verständnis einer von Mahn- und Beitreibungsmaßnahmen geprägten Tätigkeit hinaus sollen im Zuge der Liberalisierung auch Modelle darunterfallen, die erst im weiteren Verlauf dazu führen, dass Rückforderungsansprüche geltend gemacht werden können. Deckenbrock/Henssler (5. Aufl. 2021, RDG, § 2 Rn 95b) interpretieren dies sogar so weitgehend:
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„Das Anwaltsmonopol umfasst insoweit nur noch die Abwehr solcher Ansprüche.”
Unzulässig sind nach den o.g. Grundsätzen somit Sachverhalte, die gar keinen Forderungseinzug zum Gegenstand haben. Ein Inkassodienstleister hat dementsprechend auch keine Erlaubnis zu allgemeinen Rechtsberatungen, die über den Forderungseinzug hinausgehen (Deckenbrock/Henssler, a.a.O, § 2 Rn 95c).
Es spricht einiges dafür, die Unterlassungs- und Löschungsansprüche als Forderungseinziehung i.S.d. § 2 Abs. 2 S. 1 RDG anzusehen. Der Reputationsgeschädigte weist keine gegnerische Forderung zurück, sondern verlangt aktiv ein Verhalten (Tun bzw. Unterlassen) des Gegners (z.B. des Rezensenten). Dass es sich hierbei nicht um eine Geldforderung handelt, dürfte unerheblich sein, da diese Einschränkung in § 2 RDG nicht ersichtlich ist. Der BGH hat in seiner Entscheidung zu „wenigermiete” (Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, Rn 164) bezüglich eines vom Inkassodienstleister geltend gemachten Auskunftsanspruch ausgeführt, dass eine Begrenzung auf finanzielle Forderungen „ein zu enges Verständnis der Inkassodienstleistung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG” sei:
Zitat
„Soweit sie [die Revision] jedoch meint, diese Ansprüche könnten nicht Gegenstand einer Inkassodienstleistung sein, weil bereits aus dem in der Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG enthaltenen Begriff der Forderungseinziehung folge, dass ein Inkasso grds. das Beitreiben von Geldforderungen, nicht hingegen die Geltendmachung sonstiger Ansprüche zum Gegenstand habe, liegt dem – jedenfalls in Bezug auf die hier in Rede stehenden Auskunftsansprüche – ein zu enges Verständnis der Inkassodienstleistung nach § 2 Abs. 2 S. 1 RDG zugrunde.”
Im Falle von „wenigermiete” diente der Auskunftsanspruch als Hilfsanspruch der Vorbereitung, einen Zahlungsanspruch vorzubereiten. Inkassounternehmen sind z.B. auch im Bereich der Sicherstellung und Verwertung von Leasingobjekten und Sicherungsgut oder von Versorgungssperrungen tätig, wobei in diesen Fällen auch ein Bezug zu einer Geldforderung besteht. Im Falle von Reputationsschäden können finanzielle Ansprüche letztendlich auch bestehen, z.B. bei Verzug oder Weigerung des Host-Providers oder gegen den Täter als Folgeschaden einer unerlaubten Handlung. Insofern war die im Falle des LG Stuttgart von der Agentur in deren Schreiben an Google geforderte Auskunft auch die Grundlage für einen potenziellen Kostenerstattungsanspruch gegen den Täter gewesen.
Bei der weiten Auslegung des Begriffs „Forderungseinziehung” käme also auch als Alternative in Betracht, dass sich eine Agentur eine Registrierung als Inkassodienstleister beschafft.