Im Februar hatte das Bundeskabinett einen vom Bundesjustizministerium vorgelegten Gesetzentwurf beschlossen, der die Absenkung der Mindeststrafhöhe bei § 184b StGB vorsieht. Hintergrund ist, dass es Fälle wie die einer Mutter, die vor Kinderpornos gewarnt hatte und dafür am Ende eine Bewährungsstrafe bekam, künftig nicht mehr geben soll (vgl. näher ZAP 2024, 196 f.).
Inzwischen gab es zu dem Gesetzentwurf auch eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages. Die Mitte April angehörten Experten waren sich einig darin, dass der Gesetzgeber mit der erst zum Juli 2021 verschärften Strafvorschrift „über das Ziel hinausgeschossen” ist. Seinerzeit waren die Delikte Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte von Vergehen zu Verbrechen hochgestuft worden; die Mindeststrafe wurde auf ein Jahr angehoben. Mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf will die Bundesregierung die Höchststrafen beibehalten, die Mindeststrafen aber je nach Tatbestand auf sechs bzw. drei Monate senken. Dem damit verbundenen Ziel der Entkriminalisierung z.B. besorgter Eltern und Lehrer stimmten alle Sachverständigen zwar im Grundsatz zu; den von der Regierung gewählten Weg der Mindeststrafenabsenkung billigten aber nicht alle Experten.
So gab der Ehrenvorsitzende des Vereins „Deutsche Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung” zu bedenken, dass Deutschland mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung gegen eine EU-Richtlinie verstoßen könnte, die jegliche Kinderpornografie als schwere Straftat einstuft. Der Sachverständige schlug deshalb vor, stattdessen bestimmte Tatmerkmale als minderschwere Fälle mit entsprechend niedrigerem Strafrahmen einzustufen und andere, wie den eingangs dargestellten, ganz von der Strafverfolgung auszunehmen.
Einen solchen „Tatbestandsausschluss” sah demgegenüber die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs kritisch. Auch bei einem „Unrechtsgehalt am untersten Rand” brauche es erst einmal die Möglichkeit für die Strafverfolger, den Fall zu prüfen, um ihn angemessen beurteilen zu können, führte die Sachverständige aus. Eine Strafrechtlerin von der Goethe-Universität Frankfurt a.M. pflichtete ihr bei mit dem Hinweis, dass auch bei der Weitergabe von Abbildungen durch Eltern oder Lehrer an andere Erziehungsberechtigte die Persönlichkeitsrechte des abgebildeten Kindes verletzt würden. Die Expertin gab aber zu bedenken, ob die Mindeststrafe mit dem Gesetzentwurf weit genug abgesenkt würde, etwa in Fällen, in denen ein Jugendlicher es versäumt habe, automatisch heruntergeladene Inhalte sofort zu löschen. Auch die Einführung von minderschweren Fällen stieß mehrheitlich auf Ablehnung. Ein Tübinger Strafrechtsprofessor verwies darauf, dass damit keine Einstellung von Verfahren erreicht werde.
Mehrere Sachverständige wiesen darauf hin, dass eine Auflistung von Tatbeständen, die eine Strafverfolgung ausschließen, auch neue Schlupflöcher für Täter schaffen könnte. Diese könnten etwa strafbares Material verbunden mit „geheuchelten Warnungen” weiterverbreiten.
Die Expertin des Deutschen Anwaltvereins verwies auf einen bestehenden Ausnahmetatbestand im Strafrecht bei sexuellen Handlungen zwischen Minderjährigen; sie schlug vor, diese Regelung auf damit verbundene Abbildungen zu übertragen. Dem widersprach eine andere Sachverständige mit dem Hinweis, dass so entstandene Bilder später auch zum Nachteil der Betroffenen verwendet werden könnten.
Die Vertreterin des Kinderschutzbundes regte mit Zustimmung mehrerer anderer Sachverständiger an, den Begriff „Kinderpornografie” ganz aus dem Strafrecht zu verbannen. Der Begriff Pornografie suggeriere eine Einvernehmlichkeit, von der bei den Delikten, um die es hier gehe, gerade nicht ausgegangen werden könne. [Quelle: Bundestag]