Nach § 124 Abs. 1 entscheidet das Gericht, soweit nichts anderes bestimmt ist, aufgrund mündlicher Verhandlung, der als Kernstück des sozialgerichtlichen Verfahrens besondere Wertigkeit im Hinblick auf die Verwirklichung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62, s. hierzu näher unten Ziff. 6) zukommt. Eine Ausnahme hiervon ist die Möglichkeit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen nach § 105 Abs. 1 S. 1 und 2 vorliegen. Allerdings ist nach einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid in der Berufungsinstanz grds. mündlich zu verhandeln (§ 153 Abs. 1 und 4). Ist das Rechtsmittel der Berufung nicht gegeben (d.h. bedarf sie der Zulassung nach § 144 und wurde nicht zugelassen), kann mündliche Verhandlung beim SG beantragt werden (§ 105 Abs. 2 S. 2). Ferner kann generell mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 124 Abs. 2). Wirksam ist ein Einverständnis nur, wenn es klar, eindeutig und grds. vorbehaltlos erklärt wird (BSG, Beschl. v. 8.12.2022 – B 7 AS 121/22 B, Rn 6). Fehlt es an einem solchen eindeutigen und vorbehaltlosen Einverständnis, liegt in der gleichwohl vorgenommenen Entscheidung im schriftlichen Verfahren regelmäßig zugleich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62, Art. 103 Abs. 1 GG, s. u. VI.6.) vor, auf die eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen Verfahrensmangel (§ 160a, 160 Abs. 2 Nr. 3) gestützt werden kann (BSG, a.a.O., Rn 8).
Hinweis:
Aus Anwaltssicht ist eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid – ohne vorherige mündliche Verhandlung nach § 105 Abs. 2 S. 2 – im Vergleich zur einverständlichen Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 gebührenrechtlich nachteilig, da nur bei dem zuletzt genannten Prozedere die fiktive Terminsgebühr nach Ziff. 1 der Anm. zu Nr. 3106 VV RVG anfällt.
Die Beteiligten müssen die Möglichkeit haben, an der Verhandlung teilzunehmen. Haben Beteiligte ihre Teilnahme an der mündlichen Verhandlung angekündigt und erscheinen sie nicht pünktlich, darf die mündliche Verhandlung erst nach erfolglosem Ablauf einer Wartefrist von 15 Minuten eröffnet werden; haben sie darüber hinaus dem Gericht besondere Schwierigkeiten mit dem rechtzeitigen Erscheinen mitgeteilt, besteht eine Wartefrist von 30 Minuten (HdB-SGG/Groth, Kap. III Rn 24 m.w.N.). Als Gehörsverletzung ist es auch anzusehen, wenn keine rechtzeitige Entscheidung erfolgt über einen Antrag des Klägers auf Zahlung eines Vorschusses für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung (BSG, Beschl. v. 25.4.2023 – B 7 AS 119/22 B, NZS 2023, 703 m. Anm. Bienert) oder über einen Antrag auf Terminverlegung (BSG, Beschl. v. 8.3.2023 – B 7 AS 107/22 B, NZS 2023, 718).