§ 10 BORA enthält eine Sonderregelung bzgl. der erlaubten Werbung durch Gestaltung der Briefbögen einer Anwaltskanzlei und galt in seiner alten Fassung nur bei Berufsausübung in einer Berufsausübungsgemeinschaft. Auf den Einzelanwalt mit seiner Kanzlei fand § 10 BORA a.F. daher keine Anwendung (AnwG Hamm, Beschl. v. 24.7.2003 – AR 15/02 n.v.; Weyland/Nöker, 11. Aufl. 2024, § 10 BORA Rn 1). § 10 BORA n.F. erfasst nun auch den Einzelanwalt und regelt zusätzlich die im Zusammenhang mit Zweigstellen auftretenden Probleme. Das Gebot, schon auf dem Briefkopf die Zusammensetzung einer Sozietät offenzulegen, dient primär der Kontrolle, ob widerstreitende Interessen vertreten werden und hat daher eine Präventionsfunktion. Als Sonderregelung für den anwaltlichen Briefkopf kann § 10 BORA nicht analog auf die Gestaltung von Kanzleistempel oder Kanzleischilder angewendet werden (Weyland/Nöker, 11. Aufl. 2024, § 10 BORA Rn 1).
Nach § 10 Abs. 1 BORA müssen sämtliche Rechtsanwaltskanzleien und deren Zweigstellen die Kanzleianschrift auf den Briefbögen angeben, wobei hierunter die vollständige Adresse i.S.v. § 31 Abs. 3 BRAO zu verstehen ist. Nicht gemeint ist die in § 31 Abs. 3 BRAO gesondert aufgeführte Anschrift von Zweigstellen, sodass auf dem Briefkopf der Hauptkanzlei nur die Zulassungsanschrift angegeben werden muss, die auch für die Kammerzugehörigkeit und damit die berufsaufsichtliche Zuordnung relevant ist. Sofern aber – wie in der Praxis durchaus üblich – eigene Briefbögen in Zweigstellen verwendet werden, ist zur Vermeidung einer wettbewerbsrechtlichen Irreführung nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG erforderlich, diese Kanzleianschrift gesondert anzugeben (OLG Jena, Urt. v. 30.3.2011 – 2 U 569/10, BRAK-Mitt. 2011, 156, allerdings aufgehoben durch BGH, Urt. v. 16.5.2012 – I ZR 74/11, NJW 2013, 314; Weyland/Nöker, 11. Aufl. 2024, § 10 BORA Rn 1). Bei überörtlichen Sozietäten ist für jeden auf den Briefbögen Genannten jeweils seine Kanzleianschrift, mithin die Postanschrift seiner Kanzlei, zu nennen (BGH, Beschl. v. 24.9.2015 – AnwZ (Brfg) 31/15, BRAK-Mitt. 2016, 73).
Nach § 10 Abs. 2 BORA müssen die Namen sämtlicher Gesellschafter und „anderen Dritten” angegeben werden, womit alle bei einem deutschen Gericht zugelassenen Sozien gemeint sind, innerhalb derer – unabhängig von der konkreten Rechtsform – die Berufsausübungsgesellschaft betrieben wird (BVerfG, Beschl. v. 13.06.202 – 1 BvR 736/02, NJW 2002, 2163; BGH, Beschl. v. 19.11.2001 – AnwZ (B) 75/00, NJW 2002, 1419). Rein praktisch kann dies geschehen, indem eine Randleiste eingerichtet wird oder die Rückseite des Briefbogens oder ein zusätzlicher Briefbogen genutzt wird. Seit dem 1.8.2022 werden alle anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften im Bundesweiten Amtlichen Anwaltsverzeichnis aufgeführt, § 31 Abs. 1 S. 1 BRAO.
Die in der Praxis häufig verwendete Bezeichnung „... und Kollegen” ist nur zulässig, wenn auf dem Briefbogen mindestens zwei weitere Gesellschafter, Angestellte oder freie Mitarbeiter namentlich aufgeführt werden (AGH Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 27.4.2006 – AGH 18/05, BRAK-Mitt. 2006, 176). Gesellschafter in diesem Sinne sind nur die aktuell tätigen Partner, nicht die angestellten Rechtsanwälte und freien Mitarbeiter, letzte sind „andere Personen” i.S.d. § 10 Abs. 2 BORA.
§ 10 Abs. 3 BORA bestimmt, dass bei einer beruflichen Zusammenarbeit mit Angehörigen anderer Berufe deren jeweilige Berufsbezeichnung anzugeben ist. Über §§ 8 BORA, 59c BRAO können nur sozietätsfähige Berufe aufgenommen werden. Normzweck ist die Offenlegung für Rechtsschutzsuchende, wer von den Angestellten kein Rechtsanwalt ist. Schließlich bestimmt § 10 Abs. 4 BORA, dass die Namen von Ausgeschiedenen auf dem Briefbogen nur mit einem entsprechend klarstellenden Zusatz weiter aufgeführt werden dürfen, z.B. mit einem Kreuz oder einem zeitlichen Zusatz „bis 2022”. Es besteht jedoch nur ein Recht und keine Pflicht, ausgeschiedene Berufsträger in den Briefkopf aufzunehmen.