Der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Rechtsberaters und dem Schaden des Mandanten kann ausnahmsweise entfallen, wenn die vom Berater in Gang gesetzte Ursachenkette durch den Mandanten oder einen Dritten – insbesondere durch ein Gericht, eine Verwaltungsbehörde oder einen Zweitberater – unterbrochen wird. Sind diese Voraussetzungen gegeben, dann ist der Schaden bei wertender Betrachtung dem Berater haftungsrechtlich nicht mehr zuzurechnen (G. Fischer, in: G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl. 2015, § 5 Rn 46 ff.). Bleibt der Zurechnungszusammenhang erhalten, so kommt allerdings in Betracht, dass dem Mandanten ein Mitverschulden wegen eines eigenen oder fremden Schadensbeitrags anzulasten ist (D. Fischer DB 2017, 2465).
Grundsätzlich schließt es eine für den Schaden mitursächliche willentliche Handlung des Verletzten nicht ohne Weiteres aus, den Schaden demjenigen zuzurechnen, der die schädigende Kausalkette in Gang gesetzt hat (BGH, Urt. v. 8.9.2016 – IX ZR 255/13, ZAP EN-Nr. 71/2017 = DB 2016, 2955 Rn 24 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn 44). Bestand für die Zweithandlung der Geschädigten ein rechtfertigender Anlass oder wurde sie durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert und erweist sich die Reaktion auch nicht als ungewöhnlich oder gänzlich unangemessen, so bleibt der Zurechnungszusammenhang mit dem Verhalten des Schädigers bestehen (BGH, Urt. v. 8.9.2016 – IX ZR 255/13, a.a.O. unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11 a.a.O.).
Beispiele:
- Der im Zusammenhang mit einer aufgrund der vorangegangenen fehlerhaften Beratung entstandenen Unsicherheit geschlossene Vergleich ist i.d.R. als eine vernünftige Reaktion des Geschädigten in diesem Sinne anzusehen (BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 34/17, ZAP EN-Nr. 687/2017 = NJW 2017, 3442 Rn 41; ferner v. 8.9.2016 – IX ZR 255/13, a.a.O.).
- Gleichfalls liegt keine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs vor, wenn der Mandant aufgrund eines eigenen Willensentschlusses ein Anerkenntnis abgibt. Hat der Rechtsberater den Mandanten durch seinen Beratungsfehler in eine ungünstige Situation gegenüber dem Gegner gebracht und entschließt sich der Mandant in einer solchen Lage, dem Begehren des Gegners nachzugeben und es nicht auf einen Prozess ankommen zu lassen, handelt es sich im Allgemeinen um einen normalen Geschehensablauf, der die Zurechnung bestehen lässt (BGH, Urt. v. 13.10.2016 – IX ZR 214/15, ZAP EN-Nr. 77/2017 = WM 2017, 678 Rn 36 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 13.3.2003 – IX ZR 181/99, NJW-RR 2003, 850, 855 f.).
Eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch das Eingreifen eines Dritten ist nur dann anzunehmen, wenn es als gänzlich ungewöhnliche Beeinflussung des Geschehensablaufs zu werten ist (BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 34/17, a.a.O., Rn 37; ferner v. 8.9.2016 – IX ZR 255/13, a.a.O.). Das Verhalten Dritter entlastet somit regelmäßig nicht den Erstschädiger, sondern begründet zum Schutz des Geschädigten allenfalls eine eigene, zusätzliche Haftung (BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 34/17, a.a.O.; ferner v. 8.9.2016 – IX ZR 255/13, a.a.O.). Dementsprechend wird der von einer früheren Vertragsverletzung eines Beraters ausgehende Zurechnungszusammenhang grundsätzlich nicht dadurch unterbrochen, dass nach dem pflichtwidrig handelnden Anwalt eine andere rechtskundige Person mit der Angelegenheit befasst worden ist, die noch in der Lage gewesen wäre, den Schadenseintritt zu verhindern, wenn sie die ihr obliegende Sorgfaltspflicht beachtet hätte (BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 34/17, a.a.O.; ferner v. 8.9.2016 – IX ZR 255/13, a.a.O.).
Hinweis:
Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Zweitanwalt eine Entschließung trifft, die schlechterdings unverständlich, also gemessen an sachgerechter Berufsausübung sachfremd und nicht nachvollziehbar erscheint oder den Geschehensablauf so verändert, dass der Schaden bei wertender Betrachtungsweise in keinem inneren Zusammenhang zu der von einem früheren Rechtsanwalt zu vertretenen Vertragsverletzung steht (BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 34/17, a.a.O. unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 10.10.1996 – IX ZR 294/95, NJW 1997, 250, 253; v. 29.11.2001 – IX ZR 278/00, WM 2002, 504, 508).
Auch wenn eine Entscheidung des Gerichts im Vorprozess falsch ist, entlastet dies den Rechtsberater nicht – Versäumnisse des Gerichts schließen die Verantwortung des Rechtsanwalts für eigenes Versehen grundsätzlich nicht aus. Dies gilt auch dann, wenn der Fehler darin liegt, dass das Gericht die Rechtsprüfung fehlerhaft durchgeführt hat (BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 34/17, a.a.O., Rn 40; ferner v. 13.10.2016 – IX ZR 214/15, ZAP EN-Nr. 77/2017 = WM 2017, 678 Rn 35). Insbesondere entfällt der Zurechnungszusammenhang nicht, wenn der Rechtsberater ein Fehlverständnis des Gerichts nicht beseitigt, obwohl ihm dies leicht möglich gewesen wäre (BGH, Urt. v. 13.10.2016 – IX ZR 214/15, a.a.O. unter Bezugnahme a...