Nach dem im allgemeinen Schadensrecht (§ 249 Abs. 1 BGB) geltenden normativen Schadensbegriff (vgl. hierzu auch D. Fischer WM 2014, Sonderbeilage Nr. 1, S. 20: Schaden im Rechtssinne) soll ein Geschädigter grundsätzlich im Wege des Schadensersatzes nicht mehr erhalten als dasjenige, was er nach der materiellen Rechtslage hätte verlangen können. Diese Haftungsbegrenzung erfordert eine wertende Betrachtung und gilt gleichermaßen für die vertragliche wie die deliktische Haftung (BGH, Urt. v. 9.11.2017 – IX ZR 270/16, ZAP EN-Nr. 53/2018 = NJW 2018, 541 Rn 24 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 11.1.2005 – X ZR 163/02, ZAP EN-Nr. 498/2005 = NJW 2005, 1420, 1421 f.). Der Verlust einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die der Geschädigte keinen Anspruch hat, ist grundsätzlich kein erstattungsfähiger Nachteil (BGH, Urt. v. 9.11.2017 – IX ZR 270/16, a.a.O. unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 6.7.2000 – IX ZR 198/99, WM 2000, 1814, 1816; v. 15.11.2007 – IX ZR 34/04, WM 2008, 41 Rn 21; v. 25.10.2012 – IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rn 28; v. 13.3.2014 – IX ZR 23/10, WM 2014, 858 Rn 32). Deshalb kann der Verlust eines Rechtsstreits nicht als Schaden im Rechtssinne angesehen werden, wenn sich im Anwaltshaftungsprozess herausstellt, dass die unterlegene Partei den Vorprozess materiell-rechtlich zu Recht verloren hat, dieser also im Ergebnis richtig entschieden worden ist. Der Umstand, dass die Partei bei sachgerechter Vertretung durch ihren Anwalt den Vorprozess gewonnen hätte, rechtfertigt es nicht, der Partei im Regressprozess gegen ihren Prozessbevollmächtigten einen Vermögensvorteil zu verschaffen, auf den sie nach materiellem Recht keinen Anspruch hatte (BGH, Urt. v. 9.11.2017 – IX ZR 270/16, a.a.O, Rn 25 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 25.10.2012 – IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rn 28). Ebenso entspricht es den Grundsätzen des normativen Schadens, dass der Nachteil alsbaldiger Vollstreckung, den eine unterlegene Partei dadurch erleidet, dass ein von ihr beabsichtigtes, sachlich aussichtsloses Rechtsmittel durch ein Versehen des Prozessbevollmächtigten versäumt, nicht ordnungsgemäß eingelegt oder verspätet begründet wird, nicht ersatzfähig ist (BGH, Urt. v. 9.11.2017 – IX ZR 270/16, a.a.O. unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 23.11.2006 – IX ZR 21/03, WM 2007, 419 Rn 31).
Auch ein entgangener Steuervorteil kann grundsätzlich nur als Schaden im Rechtssinne geltend gemacht werden, wenn er rechtmäßig und nicht unter Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten hätte erlangt werden können (BGH, Urt. v. 9.11.2017 – IX ZR 270/16, a.a.O., Rn 26 mit Hinweis auf BGH, Beschl. v. 26.10.1983 – III ZR 40/83, WM 1984, 95, 96; v. 5.7.2007 – IX ZR 230/04). Ein Steuernachteil ist folglich nur ersatzfähig, wenn er auf rechtlich zulässigem Wege vermeidbar war. Deswegen entsteht dem Mandanten eines Steuerberaters durch Steuerzahlungen infolge eines versäumten Einspruchs dann kein ersatzfähiger Schaden, wenn er keinen Anspruch auf eine Steuerbefreiung hatte. Dem steht nicht entgegen, dass die zuständigen Finanzbehörden zeitweise den gegenteiligen Standpunkt eingenommen hatten (BGH, Urt. v. 9.11.2017 – IX ZR 270/16, a.a.O. unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 6.7.2006 – IX ZR 88/02, WM 2006, 2057 Rn 8 ff.).
Hinweise:
- Ebenso scheidet ein ersatzfähiger Schaden aus, wenn das Finanzamt rechtsirrig eine fehlerhafte verbindliche Auskunft erteilt und auf ihrer Grundlage einen rechtswidrigen Steuervorteil gewährt hätte (BGH, Urt. v. 9.11.2017 – IX ZR 270/16, a.a.O. unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 15.11.2007 – IX ZR 34/04, WM 2008, 41 Rn 13 ff.).
- Das Gleiche gilt, wenn der Rechtsberater versehentlich ohne vorherige Abstimmung mit dem Mandanten eine für diesen gefertigte Selbstanzeige der Finanzbehörde übermittelt und anschließend gegen den Mandanten Steuerbeträge festgesetzt werden (BGH, Urt. v. 9.11.2017 – IX ZR 270/16, a.a.O., Rn 27 ff.).