Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen Rechtsberater und Mandanten im Rahmen der Mitverschuldenshaftung nach § 254 BGB bereitet nicht selten Schwierigkeiten. Vorrang hat die überlegene Sachkunde des als Fachmann beauftragten Geschäftsbesorgers (Bamberger/Roth/D. Fischer, BGB, 3. Aufl., § 675 Rn 29a). Mit dem Einwand des Mitverschuldens, der im Regressprozess von Amts wegen zu beachten ist (BGH, Urt. v. 15.4.2010 – IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn 13; D. Fischer DB 2010, 2600, 2605), hat sich der BGH im Berichtszeitraum mehrfach befasst:
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kann sich der Rechtsberater regelmäßig nicht auf ein Mitverschulden des Mandanten berufen, soweit sich der Regressanspruch aus seiner rechtlichen Tätigkeit – also insbesondere Rechtsberatung und -vertretung – ergibt, weil es in diesem Bereich nach dem Inhalt des Beratervertrags allein Sache des Beraters ist, einen Schaden seines Auftragsgebers zu verhindern (vgl. die Rspr.-Nachw. bei D. Fischer, in: G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, a.a.O., § 6 Rn 18). Im rein rechtlichen Bereich ist der Rechtsberater im Verhältnis zu seinem Mandanten vielmehr grundsätzlich allein verantwortlich und insoweit scheidet die Annahme eines Mitverschuldens durch den Mandanten im Allgemeinen aus (BGH, Urt. v. 13.10.2016 – IX ZR 214/15, ZAP EN-Nr. 77/2017 = WM 2017, 678 Rn 19 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 24.5.2005 – IX ZR 276/03, ZAP EN-Nr. 718/2005 = WM 2005, 1902, 1903). Eine Unkenntnis des Mandanten in Rechtsfragen ist nicht geeignet, dessen Mitverschulden zu begründen (BGH, Urt. v. 13.10.2016 – IX ZR 214/15, a.a.O., Rn 28). Zutreffend hat der BGH in diesem Urteil darauf hingewiesen, dass die unterlassene Weisung des Mandanten an den Anwalt, Berufung gegen ein Urteil im Vorprozess einzulegen, nicht die Annahme eines Mitverschuldens des Mandanten zu rechtfertigen vermag, wenn dies auf einer unzureichenden Beratung des Anwalts über die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels beruht.
Rechtsanwälte, die nacheinander demselben Auftraggeber Schaden zugefügt haben, haften im Allgemeinen diesem als Gesamtschuldner, ohne dass sich der Geschädigte bei der Inanspruchnahme eines der ersatzpflichtigen Berater den Schadensbeitrag des anderen als Mitverschulden entgegenhalten lassen muss (BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 34/17, ZAP EN-Nr. 687/2017 = NJW 2017, 3442 Rn 44). Die Anrechnung eines Mitverschuldens des Mandanten setzt vielmehr voraus, dass dieser sich des zweiten Beraters bedient hat, um eine im eigenen Interesse gebotene Obliegenheit zur Abwehr oder Minderung des Schadens zu erfüllen, welcher durch den in Anspruch genommenen Erstberater herbeigeführt wurde (BGH, Urt. v. 8.9.2016 – IX ZR 255/13, ZAP EN-Nr. 71/2017 = DB 2016, 2955 Rn 21 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 7.4.2005 – IX ZR 132/01, WM 2005, 1812,1813). Vertraut der Mandant auf eine fehlerfreie Vertragserfüllung durch den später in Anspruch genommenen Berater, muss er sich regelmäßig keinen schuldhaften Schadensbeitrag anrechnen lassen (BGH, Urt. v. 8.9.2016 – IX ZR 255/13, a.a.O. unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 14.7.1994 – IX ZR 204/93, NJW 1994, 2822, 2824; v. 4.5.2000 – IX ZR 142/99, WM 2000, 1591,1595; D. Fischer DB 2010, 2600, 2604).
Hinweis:
Wenn ausnahmsweise eine Beauftragung des zweiten Beraters zur Behebung eines erkannten oder zumindest für möglich gehaltenen Fehlers des Erstberaters erfolgt, ist allerdings gegenüber dem Mandanten der Einwand des Mitverschuldens gerechtfertigt (BGH, Urt. v. 8.9.2016 – IX ZR 255/13, a.a.O.; D. Fischer, in: G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, a.a.O., § 6 Rn 28).
Grundsätzlich kann die Entscheidung des Tatrichters über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB im Revisionsverfahren nur dahingehend überprüft werden, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind (BGH, Urt. v. 8.9.2016 – IX ZR 255/13, a.a.O., Rn 27 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 20.6.2013 – VII ZR 4/12, NJW 2013, 3442 Rn 28; v. 17.6.2014 – VI ZR 281/13, NJW 2014, 2493 Rn 6; ebenso BGH, Urt. v. 15.4.2010 – IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn 14). Unterlässt es jedoch das Berufungsgericht, sämtliche wechselseitigen Schadensbeiträge der Parteien festzustellen und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls gegeneinander abzuwägen, so hält dies der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand (BGH, Urt. v. 8.9.2016 – IX ZR 255/13, a.a.O.).
Wird der Rechtsberater wegen Verletzung von Hinweispflichten zur Insolvenzreife vom Insolvenzverwalter auf Schadensersatz in Anspruch genommen, so ist zu prüfen, inwieweit der Ersatzanspruch infolge eines der Schuldnerin analog § 31 BGB zuzurechnenden Mitverschuldens ihres Geschäftsführers erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen ist (BGH, Urt. v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, WM 2017, 383 Rn 53 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn 29 ff.).