Das Urteil ist im Hinblick auf das neue Datenschutzrecht, das seit dem 25.5.2018 auch auf mietrechtliche Sachverhalte anzuwenden ist, sehr interessant. Der BGH nimmt durch seine rein mietrechtlich begründete Auffassung im Ergebnis den Bereich betriebskostenrechtlicher Verbrauchswerte aus den schützenswerten persönlichen Daten (der Mieter-Nachbar) nach dem Datenschutzrecht aus.
Tatsächlich vertritt die auch in der Instanzrechtsprechung vorherrschende Meinung, dass das Einsichtsrecht des Mieters in alle einschlägigen Belege, die seiner Betriebskostenabrechnung zugrunde liegen, vorgeht und nicht durch Erwägungen des Datenschutzes eingeschränkt werden kann (so ausdrücklich AG München, Urt. v. 21.9.2009 – 412 C 34593/08, NJW 2010, 78; LG Berlin, Urt. v. 17.10.2013 – 67 S 164/13, WuM 2014, 28; Urt. v. 12.7.2013 – 65 S 142/12, GE 2013, 1143; Urt. v. 13.1.2017 – 63 S 132/16, ZMR 2017, 805; stark einschränkend noch Will WuM 2017, 502, 510; zum bisherigen Recht vgl. Harsch WuM 2015, 399 ff.).
Hinweis:
Selbst das BVerfG (Beschl. v. 8.12.2015 – 1 BvR 2921/15, NZM 2016, 306) war mit vergleichbaren Fragen bereits befasst und kam zu dem Ergebnis, dass datenschutzrechtliche Bedenken – hier einer Montage und Kontrolle funkbasierter Rauchwarnmelder – nicht entgegenstehen.
Im Ergebnis ist dem auch auf der Basis des neuen Datenschutzrechts beizupflichten. Denn für die Verarbeitung (Erhebung, Speicherung, Veränderung durch Berechnung und Weitergabe) von personenbezogenen Verbrauchsdaten gibt es auch im neuen Recht mehrere Rechtsgrundlagen:
So ist der Vermieter gesetzlich verpflichtet, wie beschrieben zu handeln (§§ 556 Abs. 3 S. 2, 556a BGB). Vereinbart er mit dem Mieter im Mietvertrag eine Betriebskostenvorauszahlung, so muss er hierüber nach Ende der Abrechnungsperiode genau abrechnen. Dafür benötigt er die Verbrauchswerte seiner Mieter. Ihre Eigenschaft als „personenbezogene Daten“ (Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Nr. 1 DSGVO) des Mieters (Art. 4 Nr. 1 DSGVO) ist zwar gegeben, kann aber im Ergebnis vernachlässigt bleiben. Denn der Eingriff ist nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c gerechtfertigt (gesetzliche Verpflichtung; ebenso bereits für das neue Recht Will WuM 2017, 502, 510).
Gleichfalls greift der Rechtfertigungsgrund in Art. 6 Abs. 1 Buchst. b DSGVO (Datenverarbeitung zur Erfüllung des Vertrags): Denn der Mietvertrag gibt in dem gewählten Beispiel ein entsprechendes Vorgehen als vertragliche Verpflichtung einklagbar vor. Das Mietrecht knüpft weitere Sanktionen an eine entsprechende Pflichtverletzung, die in der unterlassenen Abrechnung besteht: Ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters im Hinblick auf weitere Vorauszahlungen im laufenden Vertragsverhältnis (vgl. BGH, Urt. v. 29.3.2006 – VIII ZR 191/05, NZM 2006, 533) und – im Falle des endenden Vertrags – einen Rückforderungsanspruch im Hinblick auf gezahlte und noch nicht abgerechnete Vorauszahlungen (vgl. BGH, Urt. v. 9.3.2005 – VIII ZR 57/04, NZM 2005, 373).
Genauso verhält es sich beim Einsichtsrecht des Mieters auch im Hinblick auf die personenbezogenen Verbrauchsdaten der Nachbarn: Gegenüber den übrigen Mietern, deren Verbrauchsdaten vom Einsichtsrecht des Adressaten einer Betriebskostenabrechnung betroffen sind, kann sich der Vermieter zusätzlich auf ein berechtigtes Interesse als Rechtsgrundlage einer Datenverarbeitung (Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO) berufen. Denn es ist schon nicht ersichtlich, dass dem Mieter-Nachbarn ein überwiegendes oder auch nur schutzwürdiges Interesse am Ausschluss einer Datenübermittlung zu seinen Verbrauchswerten zustehen kann. Zumindest aber wiegt das gegenläufige Interesse des Vermieters höher: Er ist nach der zitierten BGH-Rechtsprechung ausdrücklich verpflichtet, Einsicht auch in diese Verbrauchsdaten zu gewähren.
Praxishinweise:
- Im Zeitalter des neuen Datenschutzrechts bleibt eine Betriebskostenabrechnung im Grundsatz folglich unbedenklich, auch wenn sie statt vom Vermieter durch einen Dritten gefertigt wird. Denn es kann datenschutzrechtlich nicht als unzulässig blockiert werden, was mietrechtlich ausdrücklich gesetzlich und vertraglich aufgegeben ist.
- Auf eine (zusätzliche) freiwillig erteilte, zweckgebundene und frei widerrufbare Einwilligung des Betroffenen als Rechtfertigungsgrund (Art. 6 Abs. 1 Buchst. a, 7 DSGVO) kommt es also nicht an. Im Übrigen ist die datenschutzrechtliche Einwilligung als Rechtfertigungsgrund einer Datenverarbeitung nach dem neuen Recht bewusst so fragil ausgeformt, dass der Praxis nicht mehr geraten werden kann, mit Einwilligungen als (einzigem) Rechtfertigungsgrund zu arbeiten.