I. Vorbemerkung
Die Einkommenspfändung ist eine der vielversprechendsten Vollstreckungsmöglichkeiten gegen den Arbeitnehmer. Der Anwalt kann – je nach Ausgangslage – unterschiedliche Mandate vertreten: Meist wird er als Vertreter des Gläubigers die Zwangsvollstreckung erfolgreich betreiben. Möglicherweise suchen aber auch der Drittschuldner (Arbeitgeber) oder der Schuldner seinen Rat. Der folgende Beitrag soll praktische Handreichungen zur Überprüfung der Pfändungsberechnung geben, aber auch die Handlungsmöglichkeiten der Beteiligten ausleuchten. Vorliegender Beitrag will einen Überblick verschaffen, kann und will einen der zahlreichen Ratgeber zur Forderungspfändung jedoch nicht ersetzen (s. z.B. Depré/Bachmann, Das 1 x 1 der Lohnpfändung, 10. Aufl. 2017).
II. Rangfolge von Pfändung und Abtretung
Es gilt das Prioritätsprinzip: Der Rangerste bekommt bei der Einkommenspfändung das gesamte pfändbare Einkommen, bis seine Forderung vollständig erfüllt ist. Entsprechend gibt es konkurrierende Begehrlichkeiten der Gläubiger, die der Drittschuldner einordnen muss.
1. Außerhalb der Insolvenz
Pfändungen werden mit der Zustellung beim Arbeitgeber wirksam und nach dieser Reihenfolge bedient.
Hinweis:
Für Unterhaltspfändungen gilt zunächst nichts anderes. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung gilt auch für sie das Prioritätsprinzip: Den "normalen" Pfändungsbetrag nach § 850c ZPO erhält immer der Erstpfändende, egal ob es sich um eine Unterhaltspfändung handelt oder nicht. Der Unterhaltsberechtigte hat zusätzlich die Möglichkeit, in den sog. Vorrechtsbereich (§ 850d ZPO) unterhalb der normalen Pfändungsfreigrenze zu vollstrecken (dazu Depré/Bachmann, a.a.O., § 3 Rn 110 ff.).
Auch bei Abtretungen kommt es auf die zeitliche Komponente an, allerdings gilt nicht das Datum der Zustellung beim Arbeitgeber, sondern das Datum der Vereinbarung der Abtretung. Entgeltabtretungen haben daher oft Vorrang vor Pfändungen und sind so lange zu bedienen, bis der gesicherte Anspruch vollständig erfüllt ist (es sei denn, die Abtretung des Entgelts ist ausgeschlossen, was durch Vertrag oder Betriebsvereinbarung einfach möglich ist, s. dazu die Formulierung in Grote/Zamaitat, ABC der pfändbaren Lohn- und Gehaltspositionen, Rn 379).
2. Innerhalb der Insolvenz
Die Insolvenz des Arbeitnehmers führt dazu, dass sowohl Abtretungen als auch Pfändungen nicht mehr bedient werden, sondern der Anspruch des Insolvenzverwalters Vorrang für den nach der Tabelle pfändbaren Anteil hat.
Hinweis:
Der Vorrang gilt auch für die Abtretung an den Treuhänder nach § 287 InsO, also für die gesamten sechs Jahre.
Alle Insolvenzgläubiger (das betrifft die Forderungen, die zum Zeitpunkt der Eröffnung schon bestanden haben) dürfen nicht mehr bedient werden (§ 89 InsO). Die alten Pfändungen werden aber nicht unwirksam, sondern behalten ihren Rang, und können theoretisch noch zum Zuge kommen, wenn das Verfahren des Schuldners vorzeitig ohne Restschuldbefreiung endet (BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – IX ZB 217/08, ZInsO 2011, 812 ff.).
Insolvenzgläubiger dürfen nach der Eröffnung des Verfahrens keine neuen Pfändungen mehr ausbringen, Neugläubiger können dagegen vollstrecken, allerdings nicht in das Arbeitseinkommen. Unterhaltsgläubiger genießen im Insolvenzverfahren nur noch eine eingeschränkte Priorität und dürfen gem. § 89 Abs. 2 InsO nur wegen laufender Unterhaltsforderungen (die nach der Eröffnung entstanden sind) noch in den Vorrechtsbereich (§ 850d ZPO) pfänden, der normale Pfändungsbetrag nach § 850c ZPO fließt in jedem Fall während der gesamten Laufzeit des Entschuldungsverfahrens an den Verwalter/Treuhänder.
III. Tabelle/Anlage zu § 850c ZPO: Pfändungsrelevantes Nettoeinkommen
Nach der Zustellung hat der Drittschuldner die Rangfolge zu bestimmen und den Pfändungsbetrag selbstständig zu berechnen. Maßgebend für die Pfändungsberechnung ist § 850c ZPO und die dazugehörige Tabelle (Anlage zu § 850c ZPO). Diese ist an die Entwicklung der Renten angepasst und kann sich alle zwei Jahre verändern, zuletzt zum 1.7.2017. Die Tabelle hat nur zwei Parameter: das Nettoeinkommen (s. unten 1.) und die Unterhaltspflichten (s. unten 2.).
1. Nettoeinkommen
Das auf der Gehaltsabrechnung ausgewiesene Nettoeinkommen ist aber nicht unbedingt das pfändungsrelevante Nettoeinkommen, denn manche Einkommensbestandteile sind unpfändbar, vor allem aufgrund von § 850a ZPO.
a) Unpfändbare Bezüge
Zitat
§ 850a ZPO Unpfändbare Bezüge
Unpfändbar sind
1. |
zur Hälfte die für die Leistung von Mehrarbeitsstunden gezahlten Teile des Arbeitseinkommens; |
2. |
die für die Dauer eines Urlaubs über das Arbeitseinkommen hinaus gewährten Bezüge, Zuwendungen aus Anlass eines besonderen Betriebsereignisses und Treugelder, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen; |
3. |
Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen; |
4. |
Weihnachtsvergütungen bis zum Betrag der Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens, höchstens aber bis zum Betrag von 500 Euro; (...) |
Hierzu einige Anmerkungen:
- § 850a Nr. 1: Mehrarbeitsstunden sind nur Stun...