Der Entscheidung des BAG vom 24.8.2017 (8 AZR 378/16, NJW 2018, 418) liegt die Klage eines Arbeitgebers auf Zahlung einer Vertragsstrafe zugrunde. Der bei dem Kläger, der einen Pflegedienst betreibt, beschäftigte Beklagte war seit dem 1.6.2014 als Altenpfleger tätig. Er wurde am ersten Tag beim Kläger eingearbeitet. Am zweiten Tag hatte er frei. Am dritten Arbeitstag, dem 4.6.2014 erschien er erst gegen Mittag und überreichte eine außerordentliche Kündigung zum selben Tag. Der Kläger forderte eine Vertragsstrafe. Hierzu enthielt der Arbeitsvertrag der Parteien u.a. folgende Regelungen:
Zitat
§ 1 – Beginn des Arbeitsverhältnisses Dauer und Tätigkeit
5. |
Für den Fall, dass der Arbeitnehmer schuldhaft die Arbeit nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt als vereinbart aufnimmt oder das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der vereinbarten Dauer oder vor Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist ohne wichtigen Grund beendet, wird eine Vertragsstrafe in Höhe eines durchschnittlichen Bruttogehalts vereinbart. |
§ 6 – Kündigung
6. |
Für den Fall, dass der Arbeitnehmer die Arbeit nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt als vereinbart aufnimmt oder das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der vereinbarten Dauer oder vor Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist ohne wichtigen Grund beendet, ist eine Vertragsstrafe zu zahlen. |
§ 15 – Vertragsstrafe
1. |
Eine Vertragsstrafe ist wegen nachfolgend genannten Verstößen fällig:
a) |
Unentschuldigtes Fehlen |
b) |
Nichtantritt der Arbeit bei Vertragsbeginn |
c) |
Nichteinhaltung der Kündigungsfrist. |
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2. |
Für die Probezeit gilt als Vertragsstrafe die Höhe des Bruttolohns, der im Zeitpunkt der Kündigungsfrist erreichbar ist, als vereinbart (Beispiel: 3 Wochen = 18 Arbeitstage x 6,67 h = 120 h x Stundensatz = Vertragsstrafe). |
3. |
Nach der Probezeit gilt als Vertragsstrafe ein durchschnittlicher Bruttolohn als vereinbart. |
4. |
Eine Vertragsstrafe ist auch dann fällig, wenn ein Grund vorliegt, der zu einer fristlosen Kündigung führen würde. |
Die Revision des Klägers gegen das der Klage stattgebende Urteil des Berufungsgerichts hatte Erfolg. Das BAG lässt offen, ob für die Kündigung ein wichtiger Grund (§ 626 BGB) besteht, weil die Regelungen zu den Vertragsstrafenregelungen gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstoßen und unwirksam sind. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen und der Vertragspartner des Verwenders bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, was auf ihn zutrifft. Sollten die Regelungen in § 6 Nr. 6 sowie in § 1 Nr. 5 des Arbeitsvertrags keine eigenständige Anspruchsgrundlage für eine Vertragsstrafe im Fall einer wegen Fehlens eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB unwirksamen außerordentlichen Kündigung sein, sondern lediglich zur Auslegung von § 15 Nr. 1c des Arbeitsvertrags heranzuziehen sein, könnte der Vertragspartner des Klägers bei Vertragsschluss nicht erkennen, in welcher Höhe er während der Probezeit eine Vertragsstrafe wegen Nichteinhaltung der Kündigungsfrist schuldet. Zwar sehen § 15 Nr. 2, 3 des Vertrags eine Regelung für die Probezeit vor, § 1 Nr. 5 des Arbeitsvertrags enthält jedoch keine Differenzierung zwischen der Probezeit und der Zeit danach.
Die mangelnde Transparenz der zur Höhe der Vertragsstrafe getroffenen Bestimmungen würde nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zu ihrer Unwirksamkeit und nach § 306 Abs. 1 BGB zu ihrem ersatzlosen Fortfall unter Aufrechterhaltung des Vertrags im Übrigen führen. Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus (s. hierzu BAG, Urt. v. 24.8.2016 – 5 AZR 703/15, NZA 2016, 1539 Rn 31).
Sollte es sich bei den Regelungen in § 6 Nr. 6 sowie in § 1 Nr. 5 des Vertrags hingegen um eigenständige Anspruchsgrundlagen für eine Vertragsstrafe – auch – im Fall einer wegen Fehlen eines wichtigen Grundes unwirksamen außerordentlichen Kündigung handeln, würde insoweit die in § 1 Nr. 5 des Arbeitsvertrags über die Höhe der Vertragsstrafe getroffene Bestimmung den Beklagten unangemessen benachteiligen und wäre unwirksam. Die vorgesehene Vertragsstrafe würde in einem solchen Fall zu einer Übersicherung des Klägers führen, da sie diesen berechtigen würde, vom Beklagten auch dann eine Vertragsstrafe in Höhe eines durchschnittlichen Bruttomonatsentgelts zu fordern, wenn dieser – wie hier – das Arbeitsverhältnis während der in § 6 Nr. 1 des Vertrags bestimmten Probezeit von 6 Monaten ohne Einhaltung der während dieser Zeit maßgebenden Kündigungsfrist von 28 Tagen auflöst. Auch die Unwirksamkeit der in § 1 Nr. 5 des Arbeitsvertrags zur Höhe der Vertragsstrafe getroffenen Bestimmung würde nach § 306 Abs. 1 BGB zu ihrem ersatzlosen Wegfall unter Aufrechterhaltung des Vertrags im Übrigen führen.