Kommt es in arbeitsgerichtlichen Verfahren zum Abschluss eines Vergleichs, schließen die Parteien im Interesse einer "Gesamtbereinigung" hierin häufig weitere – in diesem Verfahren nicht anhängige – Regelungsgegenstände ein. Über die Höhe der insofern anfallenden Rechtsanwaltsgebühren (ausführlich zu Anwaltsgebühren bei Mehrwertvergleichen s. N.Schneider, ZAP F. 24, S. 1.645 ff) bestand, jedenfalls bis in das Jahr 2018 hinein, Unsicherheit, insbesondere in Prozesskostenhilfeverfahren. Hier hat vor allem die Entscheidung des BGH (v. 17.1.2018 – XII ZB 248/16, NJW 2018,1679 m. Anm. Hesseler) Klärung gebracht (s. ferner N.Schneider, RVG, 5. Aufl., § 33 Rn 9a ff.).
Wird ein Vergleich i.S.d. § 779 BGB über nicht anhängige Gegenstände geschlossen, so erstreckt sich grundsätzlich die bewilligte Prozesskostenhilfe nicht auch auf den Vergleichsmehrwert. Vielmehr ist im Falle eines Mehrvergleichs ein Antrag auf Erweiterung der Prozesskostenhilfebewilligung erforderlich, auch nach Protokollierung des Vergleichs, aber spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung (BAG v. 16.2.2012 – 3 AZB 34/11, NJW 2012, 2828 Rn 12). nach § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO ist u.a. Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH), dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Bei einer Beantragung für den Mehrwert eines Vergleichs kommt es für die erforderliche Erfolgsaussicht nicht darauf an, ob der Prozesspartei, wäre über den zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Gegenstand ein Prozess geführt worden, Erfolgsaussichten zur Seite stünden oder nicht. Erfolgsaussicht besteht vielmehr dann, wenn zu erwarten ist, dass ein Vergleich zustande kommt (s. BAG v. 16.2.2012, a.a.O. Rn 21). Mutwilligkeit liegt vor, wenn eine nicht bedürftige Partei in vergleichbarer Lage vernünftigerweise unter Berücksichtigung der Kosten folgen von der Aufnahme der zusätzlichen Gegenstände in den Vergleich abgesehen hätte (s. bereits BAG 18.5.2010 – 3 AZB 9/10 Rn 22). Dies ist insbesondere der Fall, wenn lediglich aus Anlass eines Rechtsstreits und seiner Beendigung Regelungen in den Vergleich aufgenommen werden, die überflüssig – weil unstreitig – sind und hinsichtlich derer auch kein Titulierungsinteresse besteht.
Streitig war die Reichweite der Bewilligung für den Abschluss eines Mehrvergleichs, wobei lediglich Einigkeit darüber bestand, dass sich die Beiordnung im Rahmen der PKH auf die zusätzliche (1,5-)Einigungsgebühr aus dem Mehrwert erstreckt. In der oben angegebenen Entscheidung vom 17.1.2018 hat der BGH nunmehr entschieden, dass die beigeordneten Anwälte aus der Staatskasse auch die Erstattung der zusätzlichen (0,8-)Verfahrensgebühr aus dem Mehrwert des Vergleichs verlangen können, sowie die Terminsgebühr aus dem Gesamtwert.
Hinweise:
- Ein Muster für die Abrechnung der Anwaltsgebühren nach einem Mehrwertvergleich in erstinstanzlicher mündlicher Verhandlung findet sich bei N. Schneider, ZAP F. 24, S. 1645 f. (Beispiel 1). Gleiches gilt bei der Prozesskostenhilfe, wobei die Bestimmung des § 49 RVG zu beachten ist, wenn sich die Gebühren nach Gegenstandswert bestimmen.
- Die Entscheidung des BGH ist ergangen zur Verfahrenskostenhilfe im familienrechtlichen Verfahren, § 76 Abs. 1 FamFG mit Verweis auf die PKH-Vorschriften der ZPO. Die Ausführungen gelten genauso für die Prozesskostenhilfe in Zivilverfahren, auf die auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren uneingeschränkt verwiesen wird, § 11a ArbGG.
- Zu Einzelheiten hinsichtlich der Festsetzung des Mehrwerts für den Mehrvergleich ist auf den Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit (vgl. NZA 2018, 498, zu verweisen, dort Nr. 25, s. auch Nr. 25.2.).
Das Gericht verweist zur Begründung u.a. durch die in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Rechtsschutzgleichheit, die nicht gewahrt wäre, wenn trotz der Erweiterung der bereits bewilligten Prozesskostenhilfe auf den Abschluss des Mehrvergleichs die dem beigeordneten Rechtsanwalt durch die Vornahme dieser Verfahrenshandlung nach den Regelungen des RVG erwachsenen Gebühren teilweise nicht von der Staatskasse getragen würden und i.Ü. die Vergütungspflicht der bedürftigen Beteiligten bestehen bliebe. Eine Beschränkung der Verfahrenskostenhilfe auf die Einigungsgebühr widerspräche dem Grundsatz des § 45 Abs. 1 RVG, wonach der beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung aus der Staatskasse erhält.
Wie der BGH entscheiden auch die Landesarbeitsgerichte (s. etwa LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.4.2016 – 5 Ta 118/15; LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.4.2018 – 17 Ta 6133/17 und LAG Hamm, Beschl. v. 3.8.2018 – 8 Ta 653/17, NJW-Spezial 2018, 733 unter ausdrücklicher Aufgabe der früheren abweichenden Auffassung).