Das BAG hat mit Urt. v. 18.9.2018 (BAG, Urt. v. 18.9.2018 – 9 AZR 162/18, NZA 2018, 1619, Anm. in ZAT 2018, 178) erstmalig zur Wirksamkeit einer vertraglichen Ausschlussfrist entschieden, welche nach dem 31.12.2014 vereinbart wurde und den Mindestlohn nicht ausnimmt. Darüber hinaus werden zwei weitere praktisch wichtige Fallgestaltungen entschieden: (1) Die Auslegung eines Vergleichs mit Abrechnungsklausel einerseits und umfassender Erledigungsklausel andererseits und (2) Urlaubsabgeltungsansprüche.
Der Kläger war beim Beklagten als Fußbodenleger beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 1.9.2015 ist u.a. geregelt, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind. Nachdem der Beklagte das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, schlossen die Parteien im Kündigungsrechtsstreit einen Vergleich, dem zufolge das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 15.8.2016 endete und in dem sich der Beklagte u.a. verpflichtete, das Arbeitsverhältnis bis zum 15.9.2016 ordnungsgemäß abzurechnen. Zugleich wurde eine umfassende Erledigungsklausel geregelt. Die vom Beklagten erstellte und dem Kläger am 6.10.2016 zugegangene Abrechnung für August 2016 wies keine Urlaubsabgeltung aus. In dem vom Kläger am 17.1.2017 anhängig gemachten Verfahren über 19 abzugeltende Urlaubstage hat sich der Beklagte darauf berufen, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei verfallen, weil der Kläger ihn nicht rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht habe.
Das ArbG gab der Klage statt, das LAG wies sie ab. Der Neunte Senat des BAG stellt die Klagestattgabe wieder her. Der Kläger hat nach § 7 Abs. 4 BUrlG Anspruch auf die Abgeltung von 19 Urlaubstagen mit 1.687,20 EUR brutto. Er musste den Anspruch nicht innerhalb der vertraglichen Ausschlussfrist geltend machen. Die Ausschlussklausel verstößt gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Sie ist nicht klar und verständlich, weil sie entgegen § 3 S. 1 MiLoG den ab dem 1.1.2015 zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnimmt. Die Klausel kann deshalb auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten werden (§ 306 BGB). § 3 S. 1 MiLoG schränkt weder seinem Wortlaut noch seinem Sinn und Zweck nach die Anwendung der §§ 306, 307 Abs. 1 S. 2 BGB ein.
Hinweise:
- Die Konkurrenz von Abgeltungsklausel und Abrechnungsklausel ist nach dem BAG (Rn 18) wie folgt zu lösen: Werden die Ansprüche in der Abrechnungsklausel nicht näher bezeichnet, sind entweder die nicht streitgegenständlichen Ansprüche nicht von der Abgeltung umfasst oder sie gehören zu den nicht näher Genannten abzurechenden Ansprüchen und sind deshalb von der Erledigung ausgenommenen.
- Ist ein Urlaubsanspruch von der Abrechnung und Ausschlussfrist betroffen, so gilt ergänzend: Der (künftige) Urlaubsabgeltungsanspruch kann im bestehenden Arbeitsverhältnis, weil er noch nicht entstanden ist und der gesetzliche Urlaubsanspruch in natur unverzichtbar ist, wohl nicht Gegenstand einer Abgeltungsklausel sein. Tarifvertragliche Ansprüche oder betriebsverfassungsrechtliche Ansprüche sind nach § 4 Abs. 4 S. 1 TVG oder § 77 Abs. 4 S. 2 BetrVG unverzichtbar (zur Wirksamkeit einer Ausschlussfristklausel, die unabdingbare tarifliche und betriebsverfassungsrechtliche Ansprüche nicht ausnimmt: BAG, Urt. v. 30.1.2019 – 5 AZR 43/18, www.bundesarbeitsgericht.de ).
- Eine allgemeine Abrechungsklausel in einem Vergleich, welche Ansprüche nicht konkret benennt, wahrt grundsätzlich eine Ausschlussfrist nicht, sie enthält weder einen Verzicht noch eine Geltendmachung von Ansprüchen. Konkret war jedoch eine Fälligkeitsregelung vereinbart.
- Vor dem Inkrafttreten des MiLoG bis 31.12.2014 vereinbarte Ausschlussfristen, die den Mindestlohn nicht vom Anwendungsbereich ausnehmen, sind bzgl. des Mindestlohns unwirksam, § 3 S. 1 MiLoG. Ob sie im Übrigen unwirksam sind, hat das BAG offen gelassen. Für die Wirksamkeit spricht der Vertrauensschutz, jedenfalls wenn die Vereinbarung vor dem Gesetzentwurf liegt.
- Nach dem Inkrafttreten des MiLoG am 1.1.2015 vereinbarte Ausschlussfristen, die den Mindestlohn nicht vom Anwendungsbereich ausnehmen, sind insgesamt unwirksam, weil sie an der AGB-Kontrolle scheitern. Sie sind intransparent, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, mit der Rechtsfolge der vollständigen Unwirksamkeit § 306 BGB. Die Unwirksamkeit gilt stets und hinsichtlich aller Ansprüche. Eine Einschränkung auf den gesetzlichen Mindestlohn (vgl. LAG Nürnberg und Vorinstanz LAG Hamburg, Urt. v. 31.1.2018 – 33 Sa 17/17, die zwar § 3 S. 1 MiLoG innewohnt, ist dem Recht der AGB-Kontrolle fremd!)
- Das BAG hat zum Mindestlohn nach dem AEntG (PflegeArbbV) entsprechend entschieden: BAG, Urt. v. 24.8.2016 – 5 AZR 703/15, NZA 2016, 1539; Anmerkung ZAT 2016, 205).