Im Zweiten Urteil streiten die Parteien über Diskriminierungsentschädigung i.H.v. 3.705 EUR. Der Kläger, ein Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, der bundesweit als AGG-Kläger bekannt ist und gegen welchen die Staatsanwaltschaft vor dem LG München I Anklage wegen betrügerischen Geschäftsmodells gemeinsam mit dessen Bruder erhoben hat, hatte sich bei einem kirchlichen Träger auf eine Stellenanzeige als "Referentin/Referenten Arbeitsrecht" beworben. Die Stellenbeschreibung sah sowohl die Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche oder einer Kirche der ACK (Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen) als auch vertiefte Kenntnisse im Arbeitsrecht und Steuerrecht vor. In seinem Bewerbungsschreiben gab der Kläger an, er gehöre aus finanziellen Gründen keiner Kirche an.
Die Klage hatte vor dem Achten Senat keinen Erfolg. Zwar wäre eine etwaige Ungleichbehandlung aufgrund der Religion nicht nach § 9 AGG gerechtfertigt, weil § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG gegen Unionsrecht verstößt und deshalb unangewendet belieben muss. Auch scheitert die Bewerbung nicht an der fehlenden objektiven Eignung. Weiter bestätigt der Achte Senat (BAG, Urt. v. 25.10.2018 – 8 AZR 562/16, NZA 2019, 527; Kurzfassung: NJW-Spezial 2019, 245), dass die "objektive Eignung" des Bewerbers/der Bewerberin nicht Voraussetzung für die Annahme einer vergleichbaren Situation i.S.v. § 3 Abs. 1 AGG sei und deshalb keine Voraussetzung für einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG oder auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG ist (st. Rechtsprechung., vgl. zuletzt: BAG, Urt. v. 23.11.2017 – 8 AZR 372/16 – Rn 13 bis 15 m.w.N.).
Aus Sicht des BAG handelte der Kläger rechtsmissbräuchlich. Rechtsmissbrauch ist – so der Achte Senat – anzunehmen, sofern eine Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihr darum ging, nur den formalen Status als Bewerber/in i.S.v. § 6 Abs. 1 S. 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadensersatz geltend zu machen (vgl. Leitsatz und Rn 46). Unter diesen engen Voraussetzungen begegnet der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB auch keinen unionsrechtlichen Bedenken (vgl. Leitsatz und Rn 49). Konkret ergab die Würdigung des Bewerbungsschreibens, der Kläger habe durch die Nichtbeantwortung der Frage nach der Religionszugehörigkeit und ausdrücklichen Angabe und dem ihm erkennbaren Verstoß gegen das kirchliche Ethos aus finanziellen Gründen aus der Kirche ausgetreten zu sein, eine Absage provoziert. Ein Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung stand ihm aufgrund seines unredlichen Verhaltens daher nicht zu.
Hinweise:
- Für die Praxis ist nun klar: Maßgeblich für den Rechtsmissbrauch ist das ausschließliche Ziel, unter formaler Erlangung des Bewerberstatus Entschädigungs-/Schadensersatzansprüche nach dem AGG zu erlangen.
- Grundsätzlich trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für den auf § 242 BGB gestützten Rechtsmissbrauch des Bewerbers/Klägers. Ergibt sich ausnahmsweise der Rechtsmissbrauch bereits aus dem Vortrag des Klägers – wie vorliegend – entfällt die Beweislast auf deren Seite.