Der Neunte Senat bestätigt seine Rechtsprechung (BAG, Urt. v. 22.1. 2019 – 9 AZR 10/17, Rn 15 und 24) zum Inhalt und der Auslegung des Urlaubsanspruchs (BAG, Urt. v. 20.8.2019 – 9 AZR 468/18, NZA 2019, 1581). Die Klägerin verlangt von den Beklagten Urlaubsabgeltung des Jahres 2017. Mit Schreiben vom 24.4.2017 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis zum 31.5.2017. Mit Schreiben vom 2.5.2017 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin: "Wir werden Sie im Mai nicht planen. Stattdessen stellen wir Sie unter Anrechnung Ihrer Überstunden und Urlaubsansprüche unwiderruflich frei. Den sich ergebenden Saldo Ihres Arbeitszeitkontos werden wir anschließend mit Ihrem Maigehalt verrechnen. ... " Die Klägerin war der Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, zehn Arbeitstage Urlaub aus dem Jahr 2017 abzugelten. Die Beklagte berief sich auf die erteilte Freistellung.
Die Klage war in allen drei Instanzen erfolglos. Zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs (§ 362 Abs. 1 BGB) bedarf es einer Freistellungserklärung des Arbeitgebers. Der Urlaubsanspruch nach dem BUrlG ist nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (und Art 31 Abs. 2 GRCh) auf zweierlei gerichtet:
- auf die Freistellung von der Arbeitsleistung und
- darauf, dass diese "bezahlt" sein muss.
Die Vorschrift bezweckt – wie auch Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG – sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer in regelmäßigem Rhythmus eine gewisse Zeit der Erholung erhält. Um diesen Zweck zu befördern, knüpft das Gesetz den Freistellungsanspruch an den Anspruch auf Urlaubsentgelt. Der Arbeitnehmer wäre in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt, wenn er bei Urlaubsantritt nicht wüsste, ob er im Urlaubszeitraum Urlaubsentgelt erhält. Dieser Zweckbezug von Freistellung und Urlaubsentgelt besteht gleichermaßen im gekündigten und ungekündigten Arbeitsverhältnis.
Der Knackpunkt der Entscheidung: Die Freistellung der Klägerin erfolgte unter der vorbehaltlosen Zusage Urlaubsentgelt zu zahlen. Das BAG führt dazu aus: "Die Beklagte erteilte der Klägerin im bestehenden Arbeitsverhältnis Urlaub und stellte damit unstreitig, dass sie Urlaubsentgelt zu zahlen beabsichtige. Aus der Mitteilung, einen etwaigen ‘Saldo ... (des) Arbeitszeitkontos ... (mit dem) Maigehalt (zu) verrechnen‘, ergibt sich nichts Abweichendes. Auch in dem Fall, in dem der Arbeitgeber mit einer ihm zustehenden Forderung gegen die Forderung des Arbeitnehmers auf Urlaubsentgelt aufrechnet, fließt das Urlaubsentgelt dem Vermögen des Arbeitnehmers zu. Die Verrechnung führt nämlich dazu, dass die Verbindlichkeiten des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber entsprechend dem aufgerechneten Betrag verringert sind. Im Übrigen ist die Erklärung des Arbeitgebers, Urlaubsentgelt unter bestimmten Voraussetzungen mit Gegenansprüchen verrechnen zu wollen, mangels anderweitiger Anhaltspunkte dahingehend auszulegen, dass er die Aufrechnung unter Beachtung der gesetzlichen Aufrechnungsverbote (§§ 390 ff. BGB) vornehmen werde. Umstände, die darauf hindeuten könnten, die Beklagten hätten eine gegen ein Aufrechnungsverbot verstoßende und deshalb teilweise unwirksame Verrechnung vornehmen wollen, hat das LAG nicht festgestellt. Sie sind i.Ü. nicht ersichtlich."
Hinweise:
- Das BAG bestätigt seine Rechtsprechung (Urt. v. 30.1.2019 – 5 AZR 43/18, ZAT 2019, 155 mit Anm. Gundel). Grundsatz: Durch die vorbehaltslose Urlaubsgewährung erfolgt grds. die Streitlosstellung der Urlaubsentgelts.
- Das gilt grds. auch bei einer Aufrechnung!
- Ausnahme: Eine abweichende Beurteilung kann geboten sein, wenn Tatsachen für einen abweichenden Willen oder eine abweichende Handhabung vorgetragen oder ersichtlich sind.