Im Bereich des mobilen Arbeitens sind gerade bei Start-ups immer wieder ungeregelte "Wildwest"-Zustände zu beobachten. Erfolgs- und Kostendruck gehen mit einer eher geringen Bereitschaft zur tragfähigen rechtlichen Gestaltung des Arbeitsumfelds einher. Dieser letztlich zu einer Entrechtlichung führende "Wildwuchs" ist einzudämmen. Arbeitsrecht "bremst" nicht, vielmehr bedarf es eines tragfähigen rechtlichen Rahmens, ebensolcher Konzepte und durchdachter Abläufe zur rechtskonformen Realisierung guter und sinnvoller "mobiler" Arbeit in all ihren Spielarten.
1. Gefahr der Entgrenzung der Arbeit
Beim selbstbestimmten Arbeiten am häuslichen Arbeitsplatz droht eine "Entgrenzung" von Arbeit und Privatem, das sog. Work-Life-Blending. Die Arbeitnehmer arbeiten isoliert und müssen sich selbst organisieren. Damit hängt der Erfolg des "Homeoffice" zwingend von ihrer individuellen (Wohn-)Situation, ihrer konkreten Tätigkeit und entscheidend von ihrer individuellen Persönlichkeit ab. Während ambitionierte, disziplinierte Arbeitnehmer zur Überbetonung des "Office" neigen, unbezahlt und ggf. nicht erfasst Mehrarbeit leisten, auf ihre obligatorischen Pausen verzichten, ihre Arbeitszeit ausweiten und sich auf Kosten ihrer Gesundheit ausbeuten, tendieren wenig motivierte Arbeitnehmer zur Überbetonung des "Home" und missinterpretieren den (durch fehlende Kontrollmöglichkeiten des Arbeitgebers bedingten) Zuwachs an Arbeitssouveränität am häuslichen Arbeitsplatz nicht selten als "Recht auf Faulheit" (Picker a.a.O., 4 (5 f.) m.w.N.).
2. Arbeitszeiterfassung
Die Vorgaben des ArbZG werden gerade im Homeoffice oftmals nicht bzw. kaum gelebt und eingehalten (zu Homeoffice und Arbeitszeit Ricken in: Besgen/Prinz, Arbeiten 4.0, 5. Aufl. 2022, S. 246 ff.). Ein praktischer Befund, der im Widerspruch zur geltenden Rechtslage steht (zu Reformüberlegungen im Kontext mobiler Arbeit Picker a.a.O., 4, 8 f.). Auch im Rahmen mobilen Arbeitens gilt das Arbeitszeitrecht (vertiefend Bertram/Walk/Falder a.a.O., S. 18 ff.). Im Einklang mit den jüngsten, deutlichen Vorgaben des EuGH hat eine vollständige, ordnungsgemäße Erfassung der Arbeitszeit auch im Homeoffice stattzufinden (§ 16 Abs. 2 ArbZG; vgl. EuGH, Urt. v. 14.5.2019 – C-55/18, NZA 2019, 683 "CCOO"; Bayreuther NZA 2020, 1; Reinhard NZA 2019, 1313). Die Vorgaben des ArbZG, insb. in Bezug auf Pausen (§ 4 ArbZG), Höchstarbeitszeit (§ 3 S. 1 ArbZG), Ruhezeiten (§ 5 Abs. 1 ArbZG) und das Verbot der Sonntags- und Feiertagsarbeit (§ 9 ArbZG), sind einzuhalten.
Praxistipp:
Insbesondere zu Beginn einer Homeoffice-Tätigkeit müssen Mitarbeiter zu den Regelungen des ArbZG in den erforderlichen Grundzügen geschult werden, um sie für das Thema ordnungsgemäße Arbeitszeiterfassung zu sensibilisieren. Dabei sind klare, schriftliche Anweisungen des Arbeitgebers sinnvoll und geboten, um den Vorgaben des ArbZG und der Rechtsprechung auch bei Selbstaufzeichnung der Arbeitszeiten durch den "mobil" arbeitenden Mitarbeiter rechtskonform nachzukommen (vgl. Bertram/Walk/Falder, a.a.O., S. 19).
3. Erstattung von Kosten
Die Kosten für die Einrichtung des Homeoffice trägt ohne abweichende vertragliche Gestaltung der Arbeitgeber (Isenhardt a.a.O., 1499, 1500). Soweit der Arbeitnehmer Arbeitsmittel auf eigene Kosten anschafft oder im Interesse des Arbeitgebers Aufwendungen tätigt, die er für erforderlich halten durfte, hat er gegen ihn u. U. einen Erstattungsanspruch entsprechend § 670 BGB. Probleme können sich ergeben, wenn der Arbeitnehmer Aufwendungen vornimmt, die auch in seinem eigenen Interesse liegen, z. B. die Ausstattung des privaten Arbeitszimmers mit Büromöbeln etc. In diesem Fall besteht ein Aufwendungsersatzanspruch nur, wenn das Arbeitgeberinteresse so weit überwiegt, dass das Interesse des Arbeitnehmers vernachlässigt werden kann (vgl. BAG, Urt. v. 12.4.2011 – 9 AZR 14/10, NZA 2012, 97). Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich vereinbaren, wer welche Kosten in welcher Höhe im Rahmen mobiler Arbeit trägt. Dem Arbeitnehmer können insb. folgende Kosten erstattet werden: anteilige Miete, anteilige Betriebskosten (Heizung/Strom/Wasser u.a.), Kosten IT-/TK-Infrastruktur, Kosten Breitbandverbindung bzw. Telefonanschluss (ggf. Pauschale), Büromöbel und Beleuchtung.
4. Mietrechtliche Situation des Arbeitnehmers, Außenwirkung
Auch die mietrechtliche Situation des Arbeitnehmers will im Rahmen "mobiler Arbeit" bedacht sein. Hat das Homeoffice eine Außenwirkung, wovon insb. auszugehen ist, wenn z.B. Kundenverkehr stattfinden oder Warenlieferungen erfolgen soll(en), muss der Vermieter die entsprechende Nutzung der Wohnung u.U. nicht dulden (BGH, Urt. v. 10.4.2013 – VIII ZR 213/12, NJW 2013, 1806). In solchen Fällen ist anzuraten, vor Aufnahme der Tätigkeit im Homeoffice vorsorglich die (schriftliche) Zustimmung des Vermieters einzuholen (vgl. Richter ArbRAktuell 2019, 166; zum Zugangsrecht des Arbeitgebers zum Homeoffice vgl. nachstehend VII.).
5. Fahrten vom Homeoffice zum Betrieb
Beginnt ein Kundendienstmonteur mit seiner vergütungspflichtigen Arbeit in seinem Homeoffice, können die Fahrzeiten vom Homeoffice zum ersten Kunden bzw. vom letzten Kunden zurück a...