Zusammenfassung
- Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers setzt die Zurverfügungstellung der Kaufsache am Erfüllungsort der Nacherfüllung voraus (im Anschluss an Senatsurteile v. 13.4.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn 13 ff.; v. 19.7.2017 – VIII ZR 278/16, NJW 2017, 2758 Rn 21, 27; v. 30.10.2019 – VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn 37).
- Erfordert die Nacherfüllung hiernach eine Verbringung der Kaufsache an einen entfernt liegenden Nacherfüllungsort und fallen beim Käufer hierfür Transportkosten an, kann er im Falle eines Verbrauchsgüterkaufs grds. schon vorab einen (abrechenbaren) Vorschuss zur Abdeckung dieser Kosten verlangen (jetzt: § 475 Abs. 4 BGB; im Anschluss an Senatsurteile v. 13.4.2011 – VIII ZR 220/10, a.a.O. Rn 37; v. 19.7.2017 – VIII ZR 278/16, a.a.O. Rn 29).
- Ein solcher Anspruch auf Zahlung eines (abrechenbaren) Transportkostenvorschusses steht dem Verbraucher grds. nicht zu, wenn der Verkäufer zu einer für den Verbraucher unentgeltlichen Abholung der Kaufsache und deren Verbringung zum Erfüllungsort bereit ist.
(amtliche Leitsätze)
BGH, Urt. v. 30.3.2022 – VIII ZR 109/20 (s. ZAP EN-Nr. 344/2022 [in dieser Ausgabe]); Vorinstanzen: OLG Karlsruhe, LG Baden-Baden
I. Sachverhalt
Die Parteien streiten über Gewährleistungsansprüche aus einem Kaufvertrag. Die Klägerin erwarb als Verbraucherin im Juni 2017 von dem beklagten Unternehmer einen Wallach. In der Folgezeit rügte die Klägerin einen Zungenfehler des Pferdes und setzte dem Beklagten eine Frist zur Nacherfüllung. Der Beklagte erklärte sich daraufhin zur Nacherfüllung bereit und bot an, das Pferd bei der Klägerin abzuholen. Die Klägerin lehnte eine Herausgabe des Wallachs an den Beklagten demgegenüber ab und forderte die Zahlung eines Transportkostenvorschusses, um das Pferd eigenhändig zum Beklagten transportieren zu können. Ein Transport des Pferdes durch den Beklagten sei ihr nicht zumutbar, da die Transportstrecke von etwa 1.000 km eine erhebliche Verletzungsgefahr für das Pferd berge. Zudem schränke sie die Abholung durch den Beklagten in ihrer "eigenen Alltagsorganisation" ein. Als der Beklagte hierauf nicht einging, erklärte sie den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Mit der Revision verfolgte die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, das u.a. in der Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 12.000 EUR und der Erstattung von Aufwendungen für Stall- und Sattelmiete, Reitausrüstung sowie Versicherungs- und Tierarztkosten i.H.v. ca. 5.200 EUR bestand.
II. Entscheidung
Der BGH hat die Revision der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des OLG Karlsruhe zurückgewiesen.
Der Senat befand die Rücktrittserklärung der Klägerin für unwirksam. Grund hierfür sei, dass die Klägerin keine ordnungsgemäße Frist zur Nacherfüllung nach Maßgabe der §§ 440, 323 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB gesetzt habe. Die Klägerin habe den Beklagten zwar zur Beseitigung des gerügten Mangels aufgefordert, hierbei jedoch das Pferd nicht gehörig zur Nachbesserung angeboten. Insofern sei ihre Obliegenheit verletzt, dem Beklagten die Nacherfüllung zu ermöglichen. Die Herausgabe des Pferdes habe die Klägerin nicht unter Forderung eines Transportkostenvorschusses verweigern dürfen, denn der Beklagte sei bereit gewesen, das Pferd auf seine Kosten bei der Klägerin abzuholen.
Schließlich sei der Klägerin die Abholung des Pferdes durch den Beklagten auch zumutbar. Die transportbedingten Gefahren gehörten zum allgemeinen Risiko eines Pferdehalters und bestünden auch bei eigenhändigem Transport durch die Klägerin. Soweit die Klägerin eine Einschränkung in der "eigenen Alltagsorganisation" infolge der Abholung vortrage, gehe die mit der Nachbesserung verbundene zeitliche Inanspruchnahme nicht über das übliche Maß hinaus.
III. Anmerkung
Dem Urteil liegt das Kaufrecht in seiner 2017 geltenden Fassung zugrunde. Die dort aufgeworfenen Rechtsfragen weisen einen engen Bezug zum neuen Kaufrecht auf, das zuletzt durch das Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags vom 25.6.2021 (BGBl 2021 I, S. 2133) mit Wirkung zum 1.1.2022 reformiert worden ist. Der Sache nach geht es um die Anforderungen an ein taugliches Nacherfüllungsverlangen beim Verbrauchsgüterkauf.
Ein derartiges Nacherfüllungsverlangen setzt nach ständiger Rechtsprechung des BGH die Bereitschaft des Käufers voraus, dem Verkäufer die Kaufsache zwecks Überprüfung der Mängelrügen am Nacherfüllungsort zur Verfügung zu stellen (BGH, Urt. v, 26.10.2016 – VIII ZR 240/15, NJW 2017, 153 Rn 25; vgl. auch EuGH, Urt. v. 23.5.2019 – C-52/18, NJW 2019, 2007 Rn 62). Der Nacherfüllungsort richtet sich gem. § 269 Abs. 1 BGB in erster Linie nach dem Parteiwillen und – in Ermangelung eines solchen – nach den Umständen des Einzelfalls, insb. nach der Art der vorzunehmenden Leistung. Folgt hieraus kein eindeutiges Ergebnis, ist die Nacherfüllung im Zweifel am Wohnsitz des Verkäufers oder am Ort seiner gewerblichen Niederlassung, § 269 Abs. 2 BGB, vorzunehmen (BGH, Urt. v. 13.4.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 = NJW 2011, 2278 Rn 33, der Sache nach bestätigt von EuGH, a.a.O...