Oft wird im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung ein „Freiwilligenprogramm” aufgesetzt. Hierdurch sollen Mitarbeiter regelmäßig zu einem freiwilligen Ausscheiden motiviert werden, z.B. gegen Zahlung einer sog. Turboprämie bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags oder bei einem Klageverzicht.
Solche Turboprämien als besonderer Anreiz zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags dürfen nach der Rechtsprechung (BAG, Urt. v. 7.12.2021 – 1 AZR 562/20, NZA 2022, 281; BAG, Urt. v. 9.12.2014 – 1 AZR 146/13, NZA 2015, 438) nicht im Sozialplan geregelt werden. Nach Auffassung des BAG benachteiligen sie Arbeitnehmer wegen der Erhebung einer Kündigungsschutzklage, obwohl sie von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Folge einer Betriebsänderung in gleicher Weise wie Arbeitnehmer betroffen sind, die auf eine Klage verzichten. Diese Benachteiligung steht im Widerspruch zum Zweck des Sozialplans. Der Sozialplan diene nicht dazu, die individualrechtlichen Risiken des Arbeitgebers bei der Durchführung der Betriebsänderung zu reduzieren oder gar zu beseitigen. Werde der Sozialplan so ausgestaltet, verfehle er seine Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion, und es liege eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern vor, die gegen § 75 BetrVG verstoße.
Die Unvereinbarkeit einer Turboprämie mit dem Sozialplanzweck schließt es aber nach der Rechtsprechung des BAG nicht aus, dass solche zusätzlichen Zahlungen in einer gesonderten – freiwilligen – Betriebsvereinbarung (vgl. § 88 BetrVG) geregelt werden (BAG, Urt. v. 9.12.2014 – 1 AZR 146/13, NZA 2015, 438). Allerdings dürfen die Betriebsparteien dadurch nicht das Verbot umgehen, Sozialplanabfindungen von einem entsprechenden Verzicht auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage abhängig zu machen. Eine solche Umgehung kann vorliegen, wenn der von ihnen geschlossene Sozialplan seine Funktion nach § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG, die infolge der Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile der betroffenen Arbeitnehmer auszugleichen oder zu mildern, nicht ansatzweise erfüllt und keine hinreichend angemessene Abmilderung der wirtschaftlichen Nachteile vorsieht (BAG, Urt. v. 7.12.2021 – 1 AZR 562/20, NZA 2022, 281).
Hinweis:
Eine Regelung, nach der eine Klageverzichtsprämie nur dann ausgezahlt wird, wenn und soweit die Summe der Sozialplanabfindung und der Prämie einen im Sozialplan festgelegten Abfindungshöchstbetrag nicht übersteigt, verstößt ebenfalls gegen § 75 BetrVG und ist unwirksam (BAG, Urt. v. 7.12.2021 – 1 AZR 562/20, NZA 2022, 281).