Behördliche Maßnahmen im Gewerberecht setzen tatbestandlich regelmäßig die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden voraus. Auch dieser Begriff ist in der GewO nicht legal definiert. An einigen Stellen hat der Gesetzgeber allerdings Regelbeispiele benannt, bei deren Vorliegen die Unzuverlässigkeit (widerlegbar) vermutet wird.
Beispiel:
Strafrechtliche Verurteilungen, Mitgliedschaften in einem verbotenen Verein oder einer verfassungswidrigen Partei oder Vereinigung.
Unabhängig von diesen Fällen gilt es jedoch die „allgemeine Unzuverlässigkeit” zu definieren.
Bei der Unzuverlässigkeit handelt es sich dabei im Ausganspunkt um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der vom Gericht voll überprüfbar ist; es besteht also kein Beurteilungsspielraum der Behörde. Auf dieser Grundlage nimmt die Rechtsprechung an, dass derjenige gewerberechtlich unzuverlässig, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird (st. Rspr.: BVerwG, Urt. v. 2.2.1982 – 1 C 146.80, juris Rn 13). Eine nicht ordnungsgemäße Gewerbeausübung liegt vor, wenn diese nicht entsprechend den gesetzlichen Vorschriften und ohne Beachtung der guten Sitten durchgeführt wird, wobei es auf ein Verschulden des Gewerbetreibenden insoweit nicht ankommt.
Die Feststellung der Unzuverlässigkeit setzt sich damit aus zwei Elementen zusammen. Zum einen müssen Tatsachen vorliegen, die in der Vergangenheit bereits eingetreten sind (Blick zurück). Aus diesen Tatsachen heraus muss eine negative Prognose erwachsen, dass der Gewerbetreibende auch zukünftig nicht in der Lage sein wird, sein Gewerbe ordnungsgemäß zu führen (Blick nach vorne). Die negativen Tatsachen sind dabei dem Beweis zugängig. Die Prognoseentscheidung fällt dann zulasten des Gewerbetreibenden aus, wenn der Eintritt weiterer Verstöße – aufgrund der Kenntnis und Bewertung der bekannten Verstöße – wahrscheinlich ist.
Im Grundsatz können auch Tatsachen herangezogen werden, die nicht im Rahmen eines Gewerbebetriebs eingetreten sind, sodass selbstverständlich auch eine Unzuverlässigkeit von Personen gegeben sein kann, die noch gar kein Gewerbe betrieben haben. Auch solche Tatsachen müssen allerdings geeignet sein, die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf das konkrete Gewerbe bzw. den Gewerbebereich in Frage zu stellen – eine generelle Unzuverlässigkeit gibt es nicht.
Auf dieser Grundlage lassen sich drei typische Fallgruppen herausbilden, die in der Praxis regelmäßig die Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden begründen können.
aa) Straftaten und Ordnungswidrigkeiten
Straftatbestände finden sich häufig als Regelbeispiele der Unzuverlässigkeit in der GewO wieder.
Die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden kann aber auch darüber hinaus in Frage gestellt sein, wenn dieser wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurteilt oder wegen einer Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld belegt worden ist, wobei bereits eine einzelne erhebliche gewerbebezogene Straftat ausreichen kann.
Beispiel:
Häufige Beispiele sind insoweit: (Computer-)Betrug, Steuerhinterziehung, Urkundsdelikte.
Aber auch eine Vielzahl kleinerer Gesetzesverletzungen, die, jeweils für sich betrachtet, noch keine ausreichende Grundlage für eine Gewerbeuntersagung bieten würden, können in ihrer Häufung eine solche Maßnahme rechtfertigen, wenn sie einen Hang zur Nichtbeachtung geltender Vorschriften erkennen lassen.
Hinweis:
Dabei ist es ausreichend, wenn das dem Gewerbetreibenden vorgeworfene Verhalten einen Straftatbestand objektiv verwirklicht; unerheblich ist dagegen, ob ihm auch der subjektive Tatbestand und ein Verschulden nachgewiesen werden können, da die Gewerbeuntersagung als Teil des Gefahrenabwehrrechts präventive Zwecke verfolgt (BayVGH, Beschl. v. 12.7.2012 – 22 ZB 11.2633, juris Rn 7).
Aufgrund der Bindungswirkung aus § 35 Abs. 3 GewO darf die Gewerbeaufsichtsbehörde bei der Sachverhaltsermittlung nicht zum Nachteil des Gewerbetreibenden von dem Inhalt eines Strafurteils abweichen, wenn sich dieser auf die Feststellung des Sachverhalts, die Beurteilung der Schuldfrage oder die Beurteilung der Frage, ob er bei weiterer Ausübung des Gewerbes erhebliche rechtswidrige Taten i.d.S. § 70 StGB begehen wird und ob zur Abwehr dieser Gefahren die Untersagung des Gewerbes angebracht ist.
Hinweis:
Nach § 35 Abs. 3 S. 3 GewO entfalten eine Entscheidung über ein vorläufiges Berufsverbot (§ 132a StPO), der Strafbefehl und die gerichtliche Entscheidung, durch welche die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird, die gleiche Bindungswirkung wie ein Urteil.
Bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit kann auch auf noch nicht rechtskräftig festgestellte Straftaten abgestellt werden (VG Köln, Urt. v. 19.6.2019 – 1 K 11649/17, juris Rn 25). Eine zeitliche Grenze für die Heranziehung von Straftaten bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit des Gewe...