Der eine Verdachtskündigung rechtfertigende Verdacht muss sich aus Umständen ergeben, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können.
Der Verdacht muss auf konkrete, von dem Arbeitgeber als Kündigendem darzulegende und ggf. zu beweisende Tatsachen gestützt werden. Die von dem Arbeitgeber zur Begründung des Verdachts herangezogenen Tatsachen und Umstände müssen tatsächlich vorliegen. Dabei ist nicht der volle Nachweis der schweren Pflichtverletzung oder Straftat erforderlich. Bei der Bewertung der Indiztatsachen reicht es aus, wenn ein hinreichender Grad an Gewissheit vorliegt; es ist nicht erforderlich, dass jegliche alternative Erklärung ausgeschlossen ist (BAG, Urt. v. 25.4.2018 – 2 AZR 611/17, NZA 2018, 1405).
Derartige Indizien können sich beispielsweise ergeben aus:
- Zeugenaussagen,
- Videoaufnahmen,
- Sachbeweisen,
- Anhaltspunkten aus der Buchhaltung.
Hinweis:
Nicht erforderlich ist also der Beweis des Tatvorwurfs, d.h. der volle Nachweis der Pflichtverletzung. Ausreichend für die Schlüssigkeit des Vortrags auf Arbeitgeberseite ist die Darlegung der verdachtsbegründenden Tatsachen. Bei einem erheblichen Bestreiten sind diese ggf. zu beweisen (BAG, Urt. v. 10.2.2005 – 2 AZR 189/04, NZA 2005, 1056).
Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. „Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch. Auch der dringende Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB sein” (BAG, Urt. v. 24.5.2013 – 2 AZR 206/11, NZA 2013, 137) und daher insb. eine außerordentliche Verdachtskündigung rechtfertigen.
Der Arbeitgeber trägt folglich bezüglich der objektiven Tatsachen die Darlegungs- und Beweislast. Er kann sich dabei allerdings nicht (nur) auf ein etwaiges Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft berufen. Aufgrund der mit einer Verdachtskündigung einhergehenden Gefahr, dass das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers (außerordentlich) gekündigt wird und dieser die ihm vorgeworfene Tat nicht begangen hat, sind an die Darlegungs- und Beweislast des schwerwiegenden Verdachts strenge Anforderungen zu stellen. Denen wird der Arbeitgeber nicht gerecht, wenn er statt eines eigenen Vortrages lediglich auf den Umstand verweist, dass selbst die Strafverfolgungsbehörden von einem Tatverdacht ausgehen. Die behördlichen Maßnahmen bilden für sich genommen keinen Kündigungsgrund und sind nicht geeignet, eine eigene Bewertung der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die mit der Sache befassten Gerichte zu ersetzen (vgl. BAG, Urt. v. 23.10.2014 – 2 AZR 865/13, NZA 2015, 353).
Hinweis:
Der Arbeitgeber muss sich daher Ermittlungsergebnisse der Strafverfolgungsbehörden gegen den Arbeitnehmer im Arbeitsgerichtsprozess – zumindest durch Bezugnahme – als eigene Behauptungen zu eigen machen (BAG, Urt. 25.10.2012 – 2 AZR 700/11, NZA 2013, 371).
Die Erkenntnisse, Maßnahmen oder Entscheidungen der Ermittlungsbehörden, wie z.B. Durchsuchungsbeschlüsse, Anklageerhebung, Erlass eines Haftbefehls, sind – selbst wenn diese auf der Annahme eines strafprozessualen dringenden Tatverdachts beruhen oder ihn voraussetzen – keine „objektiven Tatsachen” für einen Tatverdacht. Weder vermag sich der Arbeitnehmer als Prozessgegner darauf sachgerecht einzulassen noch kann das Arbeitsgericht die gesetzlichen Voraussetzungen für die Wirksamkeit der ausgesprochenen Verdachtskündigung hinreichend selbstständig prüfen. Hinzukommt, dass die Tatsachenfeststellungen der Strafgerichte die Gerichte für Arbeitssachen nicht binden (vgl. BAG, Urt. v. 23.10.2014 – 2 AZR 865/13, NZA 2015, 353).
Hinweis:
In der Praxis wird ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren allerding nicht ohne Einfluss auf das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines dringenden Tatverdachts sein. Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme, dass der Arbeitnehmer die erhebliche Pflichtverletzung begangen habe, verstärken (BAG, Urt. v. 24.5.2013 – 2 AZR 206/11, NZA 2013, 137). Auf der anderen Seite kann das Handeln der Ermittlungsbehörden, beispielsweise eine Einstellung des Strafverfahrens oder ein Freispruch, auch zur Abschwächung des Verdachts beitragen.