Um zu vermeiden, dass der Arbeitsplatzverlust einen unschuldigen Arbeitnehmer trifft, hat der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts zu tun. Er muss auch prüfen, ob andere Personen als Täter in Betracht kommen (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 25.2.2004 – 3 Sa 491/03, NZA-RR 2005, 132). Der Arbeitgeber hat zudem in Richtung solcher Fakten zu ermitteln, die die mutmaßliche Tat rechtfertigen, entschuldigen oder abmildern können, da er auch Umständen nachgehen muss, die gegen die beabsichtigte Verdachtskündigung sprechen (LAG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 19.12.2014 – 4 Sa 10/14, ArbR 2015, 107). Die Annahme, dass das für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unabdingbare Vertrauen bereits aufgrund des Verdachts eines erheblichen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers zerstört sei, ist zumindest solange nicht gerechtfertigt, wie der Arbeitgeber die zumutbaren Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts nicht ergriffen hat (BAG, Urt. v. 25.4.2018 – 2 AZR 611/17, NZA 2018, 1405).
Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts zügig, sprich mit der gebotenen Eile, durchzuführen. Die Dauer und der Umfang der jeweiligen Sachverhaltsaufklärung sind jedoch einzelfallabhängig und können gerade bei umfangreichen Vorwürfen mitunter viel Zeit in Anspruch nehmen.
Vor allem ist der Arbeitgeber verpflichtet, den verdächtigen Arbeitnehmer anzuhören. Im Gegensatz zur Tatkündigung ist die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Verdachtskündigung (BAG, Urt. v. 25.4.2018 – 2 AZR 611/17, NZA 2018, 1405; BAG, Urt. v. 20.3.2014 – 2 AZR 1037/12, NZA 2014, 1015). Hintergrund hierfür ist, dass bei einer Verdachtskündigung in besonders hohem Maße die Gefahr einer Falschbeschuldigung zum Nachteil des Arbeitnehmers besteht. Dessen Anhörung folgt aus dem Gebot des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Daher muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor Kündigungsausspruch Gelegenheit geben, zu den Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen, um dessen Einlassungen bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen zu können.
Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung des Arbeitnehmers sind hoch. Maßgeblich hinsichtlich des Umfangs der Anhörung sind die Umstände des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden. „Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen” (BAG, Urt. v. 25.4.2018 – 2 AZR 611/17, NZA 2018, 1405, 1408 Rn 32; vgl. auch BAG, Urt. v. 13.3.2008 – 2 AZR 961/06, NZA 2008, 809; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.4.2022 – 1 Sa 484/21, juris).
Formal kann die Anhörung des Arbeitnehmers sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen. Eine ordnungsgemäße mündliche Anhörung kann grds. nur stattfinden, wenn der Arbeitnehmer zu ihr ordnungsgemäß geladen wurde.
Nach der Auffassung des BAG ist es allerdings nicht erforderlich, dass die Einladung zur Anhörung den Gegenstand des Gesprächs beinhalten muss (BAG, Urt. v. 12.2.2015 – 6 AZR 845/13, NZA 2015, 741). Allerdings darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch nicht unter dem Vorwand eines „Fachgesprächs” oder eines „Gesprächs über die Übernahme zusätzlicher Schichten” zu einer Anhörung locken, um ihn dort mit dem möglicherweise kündigungsrelevanten Sachverhalt zu konfrontieren (LAG Düsseldorf, Beschl. v. 25.6.2009 – 5 TaBV 87/09, NZA-RR 2010, 184; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.12.2010 – 2 Sa 2022/10, ArbR 2011, 100).
Zu beachten ist zudem, dass ggf. eine Unterbrechung der Anhörung erfolgen sollte, um dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen (BAG, Urt. v. 12.2.2015 – 6 AZR 845/13, NZA 2015, 741).
Die Vorteile einer mündlichen Anhörung liegen in der Unmittelbarkeit der Befragung, welche es ermöglicht, sofort Nachfragen zu stellen und Unklarheiten zu beseitigen. Für eine schriftliche Anhörung sprechen Beweisgründe. In diesem Fall sollte dem Arbeitnehmer der Sachverhalt und der Vorwurf dargelegt und Fragen hierzu gestellt werden.
Aufgrund der dem Arbeitgeber obliegenden Darlegungs- und Beweislast im Rahmen eines – unter Umständen – nachfolgenden Kündigungsschutzstreitverfahrens sollte dieser den Anhörungsprozess in jedem Fall lückenlos dokumentieren und im Fall einer mündlichen Anhörung diese protok...