Ein Unternehmerverband hatte vor dem LG Bochum gegen eine Möbelhauskette u.a. auf Zahlung von Vertragsstrafen geklagt. Das beklagte Möbelhaus hatte nach Ansicht des Klägers gegen die sich aus einem Unterlassungsvertrag ergebende Verpflichtung verstoßen, für die in dessen Online-Shop präsentierten Haushaltsgroßgeräte die Energieeffizienzklasse und das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Energieeffizienzklassen zu nennen. Nach Zustandekommen des Unterlassungsvertrags kam es bei diversen Warenpräsentationen zu unvollständigen und zum Teil auch falschen Pflichtangaben. Die Beklagte stellte sich auf den Standpunkt, der Unterlassungsvertrag erfasse nicht die streitgegenständlichen Verstöße. Darüber hinaus habe zum Zeitpunkt der Abgabe der Unterlassungserklärung v. 21.8.2020 keine gesetzliche Verpflichtung zur Angabe des Spektrums der zur Verfügung stehenden Energieklassen bestanden, weder für Backöfen noch für Geschirrspüler oder Kühlschränke. Für keines der vorgenannten Elektrogeräte sei damals eine „delegierte Verordnung” in Kraft gewesen, die eine entsprechende Angabe vorgeschrieben hätte. Das LG Bochum wies die Klage wegen der Vertragsstrafen ab (LG Bochum, Urt. v. 16.8.2022 – 16 O 22/22). Hierzu führte das Gericht entsprechend der Verteidigung der Beklagten aus:
Zitat
„Bei der Auslegung ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass eine Wiederholungsgefahr nur insoweit durch die Erstbegehung überhaupt nur entstanden sein kann, wie überhaupt eine gesetzliche Verpflichtung bestand [sic] hat. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Angabe des Spektrums der auf dem Etikett verfügbaren Energieeffizienzklassen bestand für Backöfen zum damaligen Tatzeitpunkt, der denklogisch vor dem 10.8.2020 gelegen haben muss (...).”
Gegen das Urteil, das über die Vertragsstrafenansprüche hinaus noch Unterlassungs- und Kostenerstattungsansprüche zum Gegenstand hatte, legten beide Parteien Berufung ein. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Auf die Berufung der Klägerin hin verurteilte das OLG Hamm die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung der Vertragsstrafen (OLG Hamm, Urt. v. 1.6.2023 – 4 U 225/22). Das Berufungsgericht stellte eingehend die für Unterlassungsverträge geltenden Auslegungsregeln dar, die nicht unbedingt zu einem mit dem gesetzlichen Unterlassungsanspruch deckungsgleichen Verpflichtungsumfang führen müssen. Sodann stellte es für den vorliegenden Fall fest:
Zitat
„Die Parteien haben unstreitig eine wirksame Vertragsstrafevereinbarung getroffen, die zur Überzeugung des Senats dahingehend auszulegen ist, dass die Beklagte sich ungeachtet einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung zum damaligen Zeitpunkt bereits (überobligatorisch) dazu verpflichten wollte, im Rahmen ihrer Werbung nicht nur die Energieeffizienzklasse eines beworbenen Geräts, sondern darüber hinaus auch das jeweilige – denknotwendig existierende – Spektrum anzugeben (...).
Nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen ist ein kerngleicher Verstoß ebenfalls zu bejahen, wenn die geschuldeten Angaben zwar nicht gänzlich unterbleiben, aber unvollständig oder falsch sind. Dem Endverbraucher ist bei unvollständiger bzw. falscher Angabe des Spektrums die Einordnung der Effizienzklasse im Ergebnis ebenso wenig möglich ist [sic] wie bei einer gänzlich fehlenden Angabe.”