Leitsatz (amtlich)
Aus der durch eine vorangegangene Abmahnung begründeten wettbewerbsrechtlichen Sonderbeziehung eigener Art kann sich für den Verletzer, der sich nicht des der Abmahnung beigefügten Entwurfs einer Unterlassungserklärung bedient, sondern stattdessen eine eigene Erklärung formuliert, eine Pflicht zur Aufklärung ergeben, inwieweit er hierdurch seine Unterlassungspflichten - stillschweigend und insofern womöglich auf eine gewisse Art und Weise "listig" - abweichend von den üblichen Gepflogenheiten begrenzen will, wenn er gleichzeitig in einem Begleitschreiben den Eindruck vermittelt, sämtliche Beanstandungen des Abmahnenden vorbehaltlos zu akzeptieren (hier bejaht, Fortführung von BGH, Versäumnisurteil vom 09.02.2023 - I ZR 61/22 - Kosten für Abschlussschreiben III).
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 339
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 16 O 22/22) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers wird das am 16.08.2022 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum (Az. 16 O 22/22) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.02.2022 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, insgesamt höchstens zwei Jahre, zu vollziehen an den jeweiligen Geschäftsführern ihrer Komplementär-GmbH, zu unterlassen, im Internet zu Zwecken des Wettbewerbs
1. visuell wahrnehmbar für ein bestimmtes Modell eines Haushaltsgeschirrspülers, einer Kühl- und/oder Gefrierkombination und/oder eines Backofens zu werben und/oder werben zu lassen und dabei das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Effizienzklassen nicht anzugeben, wenn dies wie aus den Anlagen K4, K5, K6, K9 und K10 ersichtlich geschieht,
und/oder
2. für ein bestimmtes Haushaltselektrogerät zu werben und/oder werben zu lassen und dabei nicht die Typenbezeichnung anzugeben, wenn dies wie aus den Anlagen K4 und K5 ersichtlich geschieht;
und/oder
3. visuell wahrnehmbar für ein bestimmtes Modell eines Haushaltsgeschirrspülers zu werben und/oder werben zu lassen und dabei nicht die Energieeffizienzklasse und das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Energieeffizienzklassen in einer korrekten Darstellung eines grafischen Pfeils anzugeben, wenn dies wie aus der Anlage K7 ersichtlich geschieht;
und/oder
4. im Fernabsatz eines Haushaltsgeschirrspülers nicht dessen aktuell gültiges Label bereitzustellen, wenn dies wie aus der Anlage K7 ersichtlich geschieht.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 440,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 220,00 EUR seit dem 12.02.2022 und aus weiteren 220,00 EUR seit dem 19.02.2022 zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Soweit die Beklagte zur Unterlassung verurteilt worden ist, kann sie die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 60.000,00 EUR abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Im Übrigen kann sie die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 71.000,00 EUR festgesetzt. Hiervon entfallen 23.667,00 EUR auf die Berufung des Klägers und 47.333,00 EUR auf die Berufung der Beklagten.
Gründe
I. A nimmt die Beklagte, die an fünf Standorten Einrichtungshäuser sowie einen Onlineshop ("Internet-Adresse 01") betreibt, auf Unterlassung, Zahlung von zwei Vertragsstrafen sowie Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.
Die Parteien streiten u. a. um die Frage, ob sich die Verpflichtung zur Angabe des Spektrums der verfügbaren Effizienzklassen bei der Bewerbung von bestimmten Elektrogeräten - hier: Haushaltsgeschirrspülern, Kühl-/Gefrierkombinationen und Backöfen - unmittelbar aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) der Verordnung (EU) 2017/1369 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.07.2017 zur Festlegung eines Rahmens für die Energieverbrauchskennzeichnung und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/30/EU (im Folgenden: VO (EU) 2017/1369) ergibt, oder ob es insoweit erst des Erlasses Delegierter Rechtsakte für die jeweilige Produktgruppe bedarf.
Mit Schreiben vom 10.08.2020 (Anlage K1) mahnte der Kläger die Beklagte wegen eines - seiner Ansicht nach erfolgten - Verstoßes gegen die VO (EU) 2017/1369 ab und forderte sie unter Fristsetzung bis zum 17.08.2020 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, weil die Beklagte Einbauküchen inkl. verschiedener Elekt...