Das Insolvenzverfahren, das in der Insolvenzordnung vom 1.1.1999 geregelt ist, hat mit der Einzelzwangsvollstreckung gemeinsam das Ziel der Gläubigerbefriedung (§ 1 InsO). Es unterscheidet sich aber hiervon, indem der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt, der zwar nicht stets den Gleichrang aller Gläubiger verlangt, eine Privilegierung bestimmter Gläubiger aber nur in sachlich begründeten Ausnahmefällen zulässt. In der Insolvenz des Schuldners wird dessen gesamtes Vermögen als Zugriffsmasse allen Berechtigten zur Verfügung gestellt, die regelmäßig anteilig befriedigt werden, wenn die Masse nicht zur Erfüllung aller Ansprüche ausreicht. Auch wenn das Insolvenzverfahren die Rechte aller Beteiligten einschränkt, liegt es gleichwohl im wohlverstandenen Interesse der Gläubiger und des Schuldners. Denn nur die Abwicklung des gesamten schuldnerischen Vermögens in einem amtlichen Verfahren gewährleistet die Befriedigung aller Gläubiger gemeinschaftlich, also unter Gleichbehandlung (par condicio creditorum). Gleichzeitig wird der Schuldner durch die Suspendierung seiner Privatautonomie geschützt.

Gläubiger i.S.d. § 1 InsO sind allein die Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO). Nicht erfasst werden von der Zielbeschreibung des Satzes 1 der Vorschrift die Inhaber von nicht geldwerten Forderungen, Aussonderungsberechtigte (§§ 47 f. InsO), absonderungsberechtigte Gläubiger (§§ 49 bis 51 InsO), die Massegläubiger (§§ 53 bis 55 InsO) sowie die Neugläubiger. Verwertung des schuldnerischen Vermögens (Liquidation) oder die Erhaltung des Schuldnerunternehmens sind gleichermaßen Mittel der Haftungsverwirklichung. Letztlich ist es dem Bestimmungsrecht der Gläubigerversammlung vorbehalten, welche Instrumentarien der Insolvenzverwalter zu ihrer bestmöglichen Befriedigung einzusetzen hat (§ 157 InsO).

Verspricht eine zerschlagende Verwertung des schuldnerischen Unternehmens ein besseres Verwertungsergebnis als z.B. die Gesamt- oder Teilveräußerung des lebenden Unternehmens im Wege einer übertragenden Sanierung, steht es der Gemeinschaft der Gläubiger frei, sich für diese Verwertungsart zu entscheiden. Sie kann aber auch den Insolvenzverwalter beauftragen, einen Insolvenzplan auszuarbeiten und ihm das Planziel vorgeben. Mit dem Insolvenzplan, als "Kernstück der Reform" bezeichnet, hat sich der Gesetzgeber der InsO von den überholten Vorstellungen, die dem Vergleichsrecht zugrunde lagen, gelöst und den Beteiligten die Möglichkeit eröffnet, Insolvenzen auf der Grundlage der Gläubigerautonomie flexibel und wirtschaftlich effektiv abzuwickeln.

Das Ziel der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger ist in erster Linie maßgeblich für die Entscheidungen, die innerhalb des Insolvenzverfahrens zu treffen sind. Die Tätigkeit des Insolvenzverwalters und die Aufsichts- und Eingriffsbefugnisse des Insolvenzgerichts haben sich daran auszurichten. Eine auf soziale, wirtschaftliche oder fiskalische Gründe gestützte Bevorzugung einzelner Gläubigergruppen sieht die InsO nicht vor. Deshalb ist der Erhalt des schuldnerischen Unternehmens und die Sicherung von Arbeitsplätzen nicht Schutzzweck des Gesetzes, die Sanierung kein vorrangiges Verfahrensziel. Allerdings können Bemühungen des Insolvenzverwalters, möglichst viele Arbeitsplätze des schuldnerischen Unternehmens zu sichern, zur Erreichung des Zieles einer bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger beitragen.

Ein weiteres Ziel des Insolvenzverfahrens beschreibt § 1 S. 2 InsO. Danach wird dem redlichen Schuldner Gelegenheit gegeben, sich entweder über das Regelinsolvenzverfahren oder über das Verbraucherinsolvenzverfahren durch ein in den §§ 286 bis 303 InsO geregeltes Restschuldbefreiungsverfahren von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.

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