Vor Ablauf des Trennungsjahres ist nur eine sog. Härtefallscheidung nach § 1565 Abs. 2 BGB möglich, wenn in der Person des Antragsgegners eine unzumutbare Härte vorliegt.
Beim praktisch häufigsten Fall des Ehebruchs wird verlangt, dass der Verstoß gegen die eheliche Treue von einiger Dauer ist (OLG Stuttgart FamRZ 2002, 1342), nach außen in Erscheinung tritt (OLG Köln FamRZ 1999, 723) oder ein eheähnliches Zusammenleben mit dem neuen Partner vorliegen muss (OLG Stuttgart NJW 1979, 167; OLG Düsseldorf FamRZ 1978, 27; FamRZ 1987, 998).
Bei Schwangerschaft der Ehefrau aus einem ehebrecherischen Verhältnis liegt ein Härtegrund für eine Scheidung nach § 1565 Abs. 2 BGB vor (OLG Hamm, Beschl. v. 16.6.2014 – 8 WF 106/14, FamRZ 2014, 2004 = FuR 2015, 422). Die eigene Krebserkrankung und außereheliche Beziehung des Ehepartners rechtfertigen ebenfalls die Annahme eines Härtefalls (OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.9.2015 – 11 UF 76/15, NZFam 2015, 1168).
Praxishinweise:
- Für die Praxis ist wichtig, dass nach dem Gesetzeswortlaut der Härtegrund in der anderen Person liegen muss. Das bedeutet, dass z.B. der Ehemann eine Härtefallscheidung beantragen kann, nicht aber die von einem anderen Mann schwangere Ehefrau.
- In jedem Fall darf die Härte nicht durch die räumliche Trennung der Parteien beseitigt werden können. Sinn des Trennungsjahres ist es ja gerade, die Eheleute dazu zu zwingen, sich sorgfältig zu prüfen, ob sie wirklich die Ehe nicht mehr aufrechterhalten wollen.
- Die unzumutbare Härte muss sich daher auf das formale Band der Ehe, das "weiter-miteinander-verheiratet-sein" beziehen und nicht auf die bloße Fortsetzung des ehelichen Zusammenlebens (BGH NJW 1981, 449; OLG Dresden FamFR 2012, 333).
- Bei einer nur sehr kurzen Trennungszeit verneinen viele Familiengerichte bereits die endgültige Zerrüttung der Ehe und gehen gar nicht mehr auf den Härtefall ein. Ein Mindestmaß an Trennungszeit sollte daher eingehalten sein. Von einer Scheidung vor Ablauf eines Trennungszeitraums von drei Monaten ist daher abzuraten!
Aus praktischer Sicht ist jedenfalls dann von einem Antrag auf Härtefallscheidung abzuraten, wenn die Gegenseite den Härtefall bestreitet. Die Beweisaufnahme über Härtegründe ist meist zeitaufwändig und wenig Erfolg versprechend. Wird der Antrag in erster Instanz abgewiesen, kann dieser Antrag auch in der Beschwerdeinstanz nicht bestätigt werden, wenn dann das Trennungsjahr abgelaufen ist, jedoch der Fortbestand der an die Zustellung geknüpften Stichtage (Zugewinn, Versorgungsausgleich) nachteilige Auswirkungen auf die Ansprüche des Antragsgegners haben würde (OLG Hamm, Beschl. v. 9.4.2013 – II-1 UF 25/13, FamRZ 2014, 208).
Läuft das Trennungsjahr erst ab, wenn das Verfahren in der Beschwerdeinstanz anhängig ist, wird die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben. Dem Rechtsmittelführer sind dann die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (OLG Saarbrücken FamFR 2011, 257 = FamRB 2011, 249; OLG Köln, Beschl. v. 2.9.2014 – II-14 UF 65/14, FF 2014, 504).
Die Zurückverweisung der Scheidungssache an das Familiengericht zieht den Wiedereintritt des Scheidungsverbunds nach §§ 137 Abs. 1, 142 Abs. 1 FamFG sowie den Neubeginn der Frist des § 137 Abs. 2 FamFG nach sich (OLG Köln, Beschl. v. 2.9.2014 – 14 UF 65/14, FF 2014, 504 = FuR 2015, 486).
Auch Verfahrenskostenhilfe ist daher erst nach Ablauf des Trennungsjahres zu bewilligen (OLG Celle, Beschl. v. 17.1.2014 – 10 WF 4/14, FuR 2014, 486).
Hinweis:
Zu bedenken ist, dass auch bei einer Zurückverweisung der Anfang der Ehezeit, der durch die Zustellung des verfrüht eingereichten Scheidungsantrags bestimmt worden ist, bestehen bleibt.