I. Allgemeines
Nach der Vorschrift des § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person (Erbfall) dessen Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere Personen (Erben) über. Der Erbe tritt mit dem Erbfall in sämtliche Rechtspositionen, die die verstorbene Person innehatte, im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (sog. Universalsukzession) ein. Diejenige Person um deren Erbschaft (Nachlass) es geht, wird im Allgemeinen sowohl zu Lebzeiten als auch nach Eintritt des Erbfalls (also mit ihrem Tod) als Erblasser bezeichnet.
In fast allen Erbfällen gehören zur Erbschaft (Nachlass) Bankkonten, Sparbücher und/oder Wertpapierdepots. Der Erbe hat deshalb ein gesteigertes Interesse daran, unmittelbar nach Eintritt des Erbfalls auf diese Konten einschließlich ihrer Guthaben zugreifen zu können. Das gebietet bisweilen die Vermögenssituation des Erben, der schließlich für eine Beerdigung des Erblassers auf seine Kosten zu sorgen hat (§ 1968 BGB).
Für den Erben ist es in der täglichen Rechtspraxis wichtig zu wissen, wie er seine Legitimation zur Verfügung über den Nachlass gegenüber den Vertragspartnern des Erblassers, insbesondere den Banken, nachweisen kann und auch, welche Kosten zur ordnungsgemäßen Legitimation auf ihn zukommen können.
Auf der anderen Seite steht das Interesse der Bankinstitute (Schuldner), fällige Leistungen nur dann zu erbringen, wenn sie für diese auch eine befreiende Wirkung haben. Nur so kann die Haftung für den Fall minimiert werden, dass an den „falschen“ Erben im Rahmen der Auszahlung von Guthaben geleistet wird.
Hinweis:
Der Anwalt sollte die gegenseitigen Interessen der Beteiligten ausloten und rechtssicher abklären, welche Möglichkeiten der Erben für eine sichere und kostengünstige Legitimation hat. Der Erbe möchte baldmöglichst nach Eintritt des Erbfalls über das zum Nachlass gehörende Guthaben bei Banken verfügen können.
Als solche Legitimationsmöglichkeiten sind in Betracht zu ziehen:
Die Vorlage
- eines Erbscheins, §§ 2353 ff. BGB,
- eines Europäischen Nachlasszeugnisses (Art. 62 ff. EU-ErbVO),
- eines öffentlichen Testaments oder Erbvertrags zusammen mit dem Eröffnungsprotokoll,
- eines privatschriftlichen Testaments (§§ 2247 ff., 2267 BGB) zusammen mit dem Eröffnungsprotokoll und
- einer post- oder transmortalen Vollmacht (§§ 164 ff. BGB).
II. „Klassische“ Möglichkeiten der Legitimation für den Erben
1. Erbschein, §§ 2353 ff. BGB
Muss sich ein Erbe im Rechtsverkehr als solcher legitimieren, stellt das Gesetz hierfür als einen zuverlässigen Nachweis, den Erbschein (§§ 2353 ff. BGB) zur Verfügung. Gemäß § 2353 BGB ist der Erbschein ein Zeugnis über das aus einem Erbfall stammende Erbrecht eines oder mehrerer Erben unter Angabe der damit verbundenen Verfügungsbeschränkungen. Wesentlich für den Erbschein sind die mit ihm verbundenen Legitimationswirkungen:
Für den Rechtsverkehr mit Banken kommt es vor allem auf die Befreiungs- oder Liberationswirkung des Erbscheins (§ 2366 BGB) an. Nur wegen dieser aufgrund des öffentlichen Glaubens ausgelösten Wirkung kann eine Bank an den durch einen Erbschein ausgewiesenen Erben mit befreiender Wirkung leisten (§ 2367 BGB). Neben der Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs vom durch einen Erbschein ausgewiesenen und verfügenden Erben (§ 2366 BGB) ist die aufgezeigte Befreiungswirkung von größter praktischer Bedeutung. Die aufgezeigten Wirkungen des Erbscheins entfallen lediglich dann, wenn z.B. die Bank positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Erbscheins hätte.
Nur in denjenigen Fällen, in denen sich der Schuldner (die Bank) vom Erben – ehe er/sie an ihn eine Leistung erbringt – die Vorlage eines Erbscheins verlangt und der Erbe diesen auch vorlegt, ist er bei einer Leistung an den „Scheinerben“ geschützt (§§ 2366, 2367 BGB, Art. 69 Abs. 3 EU-ErbVO).
2. Europäisches Nachlasszeugnis
Eine zügige, unkomplizierte und effiziente Abwicklung einer Erbsache mit grenzüberschreitendem Bezug innerhalb der Europäischen Union setzt voraus, dass die Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter in der Lage sind, ihren Status und/oder ihre Rechte und Befugnisse in einem anderen Mitgliedstaat, beispielsweise in einem Mitgliedstaat, in dem Nachlassvermögen zu belegen ist, einfach nachzuweisen. Zu diesem Zweck führte die EU-ErbVO ein einheitliches Zeugnis, das Europäische Nachlasszeugnis (Art. 62 ff. EU-ErbVO) ein, das zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird (Erwägungsgrund 67). Sein Einsatz ist nicht verpflichtend (Art. 62 Abs. 2 EU-ErbVO). Das Europäische Nachlasszeugnis kann auch im Ausstellungsstaat eingesetzt werden (Art. 62 Abs. 3 EU-ErbVO) und deshalb den Erbschein ersetzen. Der Erbschein behält gleichwohl in Deutschland weiterhin seine Gültigkeit.
Hinweis:
Bei Erbfällen mit Auslandsbezug (EU) hat der Erbe in Deutschland die Wahl zwischen Erbschein und Europäischem Nachlasszeugnis. Er kann aber auch beide „Zeugnisse“ nebeneinander beantragen. Zuständig für die Erteilung ist für beide das Nachlassgericht
Europäisches Nachlasszeugnis und Erbschein u...