Dem Urteil des BAG v. 22.9.2016 (2 AZR 848/15, ZAP EN-Nr. 101/2017 = NZA 2017, 112 = NJW 2017, 843 m. Anm. Wybitul; s. ferner Reitz NZA 2017, 273 und Fuhlrott/Schröder NZA 2017, 278) lag ein Kündigungsrechtsstreit zugrunde, dessen zentrale Frage es war, ob zu Lasten der Arbeitnehmerin ein "Zufallsfund" verwertet werden konnte, der sich bei einer verdeckten Videoüberwachung ergab.
Der beklagte Arbeitgeber stellte in der Beschäftigungsfiliale der Klägerin einen erheblichen Inventurverlust fest und kam nach daraufhin durchgeführten Recherchen zu dem Schluss, dass dieser Verlust vom Personal zu verantworten sei. Weitere Kontroll- und Revisionsmaßnahmen sowie die Überprüfung der Mitarbeiter durch Taschenkontrollen führten nicht zur Aufklärung. Daraufhin beantragte der Arbeitgeber beim Betriebsrat die Durchführung einer verdeckten Videoüberwachung im Kassenbereich zum Zwecke der Aufklärung von Straftaten zu seinen Lasten. Als Grund für die Videoüberwachung gab der Arbeitgeber Diebstahl von Zigaretten an, wobei sich die Überwachung gegen zwei genannte Mitarbeiterinnen richten solle, nicht gegen die Klägerin. Im Rahmen der dann durchgeführten Maßnahme stellte die Beklagte fest, dass die als Kassiererin tätige Klägerin (die zudem stellvertretende Filialleiterin war) durch Manipulation eines Kassenvorgangs sich um einen Betrag i.H.v. 3,25 EUR zu Unrecht bereichert hat. Die Klage gegen die daraufhin vom Arbeitgeber ausgesprochene außerordentliche, fristlose Kündigung blieb erfolglos.
Das BAG prüft zunächst, ob die Gerichte gehindert sind, wegen dem nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin den unstreitigen Sachvortrag der Beklagten zur Kündigung über das in der Videoaufzeichnung zu Tage getretene Verhalten der Klägerin zugrunde zu legen (vgl. hierzu bereits BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, NZA 2014, 243). Zu einer entsprechenden Prüfung soll es allerdings nur dann kommen, wenn die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen nicht eingehalten wurden. Die zum Teil in der Instanzrechtsprechung vertretene Auffassung, ein Verstoß gegen das Datenschutzrecht führe regelmäßig zu einem Beweisverwertungsverbot (so LAG BW v. 20.7.2016 – 4 Sa 61/15 und LAG Hamm v. 17.6.2016 – 16 Sa 1711/15), teilt das BAG nicht.
Ein solches Sachvortrags- oder Beweisbewertungsverbot folgt nicht aus einer Verletzung der Normen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Diese konkretisieren und aktualisieren zwar den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild. Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnenen Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestandes vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften. Ein Beweisverwertungsverbot oder ein Verbot, selbst unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn sich die getroffene Maßnahme nicht nur als datenschutzrechtswidrig (am Maßstab des BDSG) erweist und das Verbot aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist.
Im vorliegenden Fall erachtet das BAG den Eingriff in das Recht der Klägerin am eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwachung als gerechtfertigt durch die Vorschrift des § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG. Es folgt der Bewertung des LAG, wonach vorliegend ein anderes, milderes Mittel zur Aufklärung des fraglichen Verdachts nicht mehr zur Verfügung gestanden habe. Eine andere Bewertung ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin nicht zu dem Kreis der Verdächtigen gehört habe. Eine verdeckte Videoüberwachung nach § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG darf zur Aufdeckung von Straftaten von Beschäftigten nicht nur dann erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass von ihr ausschließlich Arbeitnehmer betroffen sind, hinsichtlich derer es bereits einen konkreten Verdacht gibt. Der Rechtmäßigkeit der Maßnahme stehe demnach nicht entgegen, dass sie in Bezug auf die Klägerin anlasslos war. Aus § 6b Abs. 1 BDSG ergäben sich keine weitergehenden Anforderungen.
Das BAG folgt auch den Ausführungen des LAG zur Interessenabwägung, wonach die langjährige unbeanstandete Beschäftigung der Klägerin in der Vergangenheit den eingetretenen Vertrauensverlust im Ergebnis nicht aufwiegen könne. Dabei habe es in seiner Würdigung auch einbezogen, dass der Schaden mit 3,25 EUR relativ gering sei. Zu Lasten der Klägerin habe das LSG zutreffend berücksichtigt, dass es sich nach den tatrichterlichen Feststellungen bewusst, heimlich und durch eine gezielte Manipulation der Kassenvorgänge auf Kosten der Beklagten bereichert habe. Der dadurch bewirkte Vertrauensbruch wiege bei einer stellvertretenden Filialleiterin und Kassiererin besonders schwer. Die Beklagte müsse bei einer Arbeitnehmerin in dieser Position von uneingeschränkter Vertrauenswürdigkeit bei der Tätigkeit, insbesondere bei der Bedienung der Kasse, ausgehen können.