Arbeitgeber können den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich auch mit dem Abzug und der Abführung von Lohnsteuer erfüllen. Die Berufung auf diesen besonderen Erfüllungseinwand ist allerdings ausschließlich für den abzurechnenden Kalendermonat und ggf. als Korrektur für den Vormonat möglich (BAG, Urt. v. 21.12.2016 – 5 AZR 266/16, NJW 2017, 972).
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger begehrt die Bruttovergütung für Mai und Juni 2015 i.H.v. jeweils 4.750 EUR. Er war von Juli 2006 bis Juni 2015 bei der Beklagten beschäftigt. Für die Privatnutzung des ihm überlassenen Dienstwagens setzte die Beklagte ab dem 1.1.2011 monatlich eine Pauschale als zu versteuernden geldwerten Vorteil an. Mit der Gehaltsabrechnung für Mai 2015 führte sie eine Rückrechnung des geldwerten Vorteils für die Zeit von Januar 2011 bis April 2015 nach der sog. 1 %-Regelung durch. Daraus ergab sich ein noch zu versteuernder Betrag i.H.v. 25.704,80 EUR, den die Beklagte jeweils ca. hälftig in den Gehaltsabrechnungen für Mai und Juni 2015 ansetzte. Für beide Monate errechnete sie daraus eine zu zahlende Lohnsteuer von jeweils ca. 7.000 EUR. Der Kläger erhielt in den beiden Monaten keine Vergütung und klagte auf Zahlung von jeweils 4.750 EUR brutto.
Das BAG hat das Urteil des LAG aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben und den Rechtsstreit mit Hinweisen zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen: Vergütungsansprüche für die beiden Monate sind unstreitig entstanden. Ob diese nach § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen seien, bedarf weiterer Feststellungen. (Teilweise) Erfüllung könne allenfalls durch Abführung der Lohnsteuer eingetreten sein. Mit deren Abzug und Abführung erfülle der Arbeitgeber auch seine Vergütungspflicht (besonderer Erfüllungseinwand). Einer Aufrechnung bedürfe es nicht. Lege der Arbeitgeber die Lohnsteuerabführung nachvollziehbar dar, könne der Arbeitnehmer die nach seiner Auffassung unberechtigt einbehaltenen und abgeführten Beträge nicht erfolgreich mit einer Vergütungsklage geltend machen. Die Gerichte für Arbeitssachen sind grundsätzlich nicht befugt, die Berechtigung dieser Abzüge zu überprüfen. Der Arbeitnehmer muss vielmehr die steuer- bzw. sozialrechtlichen Rechtsbehelfe erheben. Eine Ausnahme mit der Folge der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit besteht nur dann, wenn für den Arbeitgeber aufgrund der für ihn zum Zeitpunkt des Abzugs bekannten Umstände eindeutig erkennbar war, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht bestand.
Zwar konnte die Arbeitgeberin hinsichtlich der Privatnutzung des Dienstwagens grundsätzlich eine Berechnung nach der 1 %-Regelung vornehmen. Ein Lohnsteuerabzug als besonderer Erfüllungseinwand kommt aber nur im abzurechnenden Kalendermonat sowie allenfalls als Korrektur für den Vormonat (§ 41c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG) in Betracht. Die Beklagte war damit im äußersten Fall berechtigt, etwaige noch nicht erhobene Lohnsteuer für Mai und Juni sowie ggf. für April 2015 einzubehalten. Eine Nachberechnung im Mai und Juni 2015 für die Zeit Januar 2011 bis März 2015 durfte sie nicht vornehmen. Diese Erstattungsansprüche können nur mittels Aufrechnung nach den dafür bestehenden besonderen Regeln der §§ 387 ff. BGB vorgenommen werden. Die Fehlerhaftigkeit einer Lohnsteuerabführung betrifft nur den Teil, der auf der Nachberechnung beruht, nicht aber denjenigen, den der Kläger ohnehin für den jeweiligen (laufenden) Monat hätte abführen müssen.
Hinweise:
1. |
Mit dieser Entscheidung bestätigt das BAG seine Rechtsprechung zum "besonderen Erfüllungseinwand" und führt diese fort (vgl. BAG, Beschl. v. 7.3.2001 – GS 1/00, NZA 2001, 1195; Urt. v. 30.4.2008 – 5 AZR 725/07, NZA 2008, 884). |
2. |
Grundsätzlich wird die Berechtigung eines Lohnsteuerabzugs von den Arbeitsgerichten nicht überprüft. Voraussetzung ist: Die tatsächliche Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber und die gesetzliche Möglichkeit der Korrektur. Eine solche Korrektur ist nur im abzurechnenden Kalendermonat oder für den Vormonat möglich (§ 41c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). Nur für diese Zeiträume kommt der "besondere Erfüllungseinwand" in Betracht. |
3. |
Die Arbeitsgerichte sind ausnahmsweise für den Lohnsteuerabzug zuständig, wenn für den Arbeitgeber eindeutig erkennbar war, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht bestanden hat. |
4. |
Die Arbeitsgerichte sind auch dann – ohne den besonderen Erfüllungseinwand – zuständig, wenn der Arbeitgeber berechtigt den – bisher unterbliebenen – Lohnsteuerabzug über den Vormonat hinaus nachholt. Allerdings bedarf es dann der Aufrechnung nach den §§ 387 ff. BGB und §§ 850 ff. ZPO. Im Regelfall wird dies dem Arbeitgeber nicht gelingen und es empfiehlt sich eine selbstständige Klage oder Widerklage, weil die Beschränkungen der Aufrechnung in der Zwangsvollstreckung nicht gelten. |